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Heldenklingen

Heldenklingen

Titel: Heldenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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Königs, so hieß es, und schon aus diesem Grund war seine Bekanntschaft nützlich. Allein deswegen bemühte sie sich auch, jedes Mal über seine albernen Witze zu lachen.
    »So viele Menschen«, sagte Aliz. »Ihr Vater trägt wirklich eine große Verantwortung.«
    »Das ist richtig.« Bei ihrem letzten Treffen war Finree entsetzt gewesen, als sie sah, wie abgespannt und erschöpft ihr Vater wirkte. Sie hatte immer geglaubt, er sei aus Eisen, und die Erkenntnis, dass er innen vielleicht ganz weich sein mochte, war höchst erschütternd. Vielleicht war dies der Augenblick, in dem man erwachsen wurde, wenn man feststellte, dass die eigenen Eltern so fehlbar waren wie alle anderen Menschen.
    »Der Krieg ist schrecklich, nicht wahr?«
    »Er verwüstet die Landschaft, behindert Handel und Industrie, tötet Unschuldige und belohnt die Schuldigen, stürzt ehrbare Menschen in Armut und füllt die Taschen der Kriegsgewinnler, und am Ende kommt nichts anderes dabei heraus als Leichen, Gedenksteine und große Geschichten.« Finree ließ unerwähnt, dass er ihrer Meinung nach auch enorme Möglichkeiten bot.
    »So viele Verletzte«, sagte Aliz. »So viele Tote.«
    »Eine schlimme Sache.« Wobei Tote stets eine Lücke hinterlassen, die andere durchaus nutzen können, um sich geschickten Fußes die Karriereleiter hinaufzuschwingen. Lücken, in die geschickte Ehefrauen mit schnellem Griff ihre Ehemänner hineindrängen können …
    »Und all diese Menschen, die ihre Heimat verlieren. Die alles verlieren.« Aliz sah mit feuchten Augen einem elendigen Zug von Leuten entgegen, die nun den Soldaten ausweichen mussten und den Staub schluckten, den das marschierende Heer aufwirbelte.
    Es waren größtenteils Frauen, obwohl das bei ihrer zerlumpten Kleidung kaum eindeutig zu sagen war. Einige alte Männer waren darunter, und auch ein paar Kinder. Wohl aus dem Norden. Und ganz bestimmt arm. Mehr als arm, denn sie hatten buchstäblich gar nichts, die Gesichter waren eingefallen vor Hunger, die Münder standen erschöpft offen, während sie einige magere Besitztümer umklammerten. In den Blicken, mit denen sie die vorbeiziehenden Unionssoldaten bedachten, lag weder Hass noch Angst. Sie waren zu verzweifelt, um überhaupt eine Gefühlsregung erkennen zu lassen.
    Finree wusste nicht, wovor sie flohen oder wohin. Welches Entsetzen sie vertrieben hatte oder welche schlimmen Erlebnisse ihnen noch bevorstanden. Die blinden Schrecknisse des Krieges hatten ihnen die Heimat genommen. Als sie ihnen zusah, fühlte sich Finree beschämend sicher und geradezu ekelhaft glücklich. Man vergisst leicht, wie viel man besitzt, wenn man seine Augen stets auf das richtet, was man nicht hat.
    »Da muss doch etwas getan werden«, murmelte Aliz traurig.
    Finree biss die Zähne zusammen. »Sie haben Recht.« Sie gab ihrem Pferd die Sporen und spritzte dabei vermutlich ein paar Dreckklumpen auf Aliz’ weißes Kleid, aber sie schloss schnellstens zu dem Knäuel von Offizieren auf, das derzeit das wenig leistungsfähige Gehirn ihrer Division darstellte.
    Hier sprach man die Sprache des Krieges. Es ging um Zeitpläne und Verpflegung. Wetter und Moral. Marschbefehle und Schlachtordnung. Finree war all das nicht fremd, und noch während sie ihr Pferd zwischen die anderen drängte, fielen ihr Fehler, Nachlässigkeiten, Schlampigkeiten auf. Sie war in Kasernen, Offiziersmessen und Hauptquartieren groß geworden, war schon länger beim Heer als die meisten der anwesenden Offiziere und wusste ebenso viel wie sie über Strategie, Taktik und Logistik. Und sicherlich mehr als Lord Gouverneur Meed, der bis zum letzten Jahr keine gefährlicheren Unternehmungen geleitet hatte als vielleicht einmal ein abendliches Bankett.
    Meed ritt in der Mitte der Gruppe unter einer Standarte, die mit den gekreuzten Hämmern von Angland bestickt war, und trug eine großartige, azurblaue Uniform mit goldenen Tressen, wie sie einem Schauspieler in einem billigen Theaterstück eher zugekommen wäre als einem General auf einem echten Feldzug. Obwohl er so viel Geld für seine Schneider ausgab, schien der protzige Kragen nicht zu passen, und sein sehniger Hals ragte daraus hervor wie der einer Schildkröte aus ihrem Panzer.
    Er hatte seine drei Neffen vor Jahren bei der Schlacht von Schwarzenquell verloren, und wenig später war auch sein Bruder gefallen, der vorherige Lord Gouverneur. Seitdem pflegte Meed einen grenzenlosen Hass auf alle Nordmänner und unterstützte den derzeitigen Krieg mit so

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