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Heldensabbat

Heldensabbat

Titel: Heldensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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von jüdischen Mitbürgern geschätzten Leckerbissen fast so viel Geld erhalten, wie sie zur Anschaffung einer neuen Gans benötigten. Alle waren mit dem Delikatessentransfer zufrieden gewesen, bis dann die braunen Radikalinskis den Tauschhandel abrupt beendeten.
    Bruckmann sieht den Eintretenden als erster; er springt von seinem Schreibtisch hoch, wie immer, wenn er seinem Auftraggeber gegenübersteht, wirkt er ein wenig atemlos. Betont freundlich fordert ihn der SS-Hauptsturmführer auf, wieder Platz zu nehmen. Der hagere Mann mit dem knochigen Gesicht stammt aus Mecklenburg und trägt meistens Zivil; er schätzt es, im Hintergrund zu bleiben.
    Für die Dreckarbeit sind Bruckmann und seine Männer zuständig, zum Beispiel für die Ausforschung der Gottesdienste. Zwar war es 1933 zwischen den braunen Machthabern und hohen Kirchenfürsten zu einigen verbalen Anbiederungen gekommen – der Vatikan hatte als erste Auslandsmacht ein Konkordat mit Hitler geschlossen –, aber längst hatten sich die Fronten verhärtet. Das Regime propagierte und erzwang Kirchenaustritte und setzte – zumindest inoffiziell – praktizierendes Christentum mit Widerstand gegen den Nationalsozialismus gleich. In Mainbach müssen dabei die Verfolger behutsamer vorgehen als anderswo. Das auf den auslaufenden Hängen des Steigerwalds gelegene Domkapitel gleicht optisch wie symbolisch einer uneinnehmbaren Festung.
    »Nachrichten gehört?« fragt der örtliche SD-Chef. Er läßt sein Silberetui aufschnappen und bietet seinem Helfer eine Zigarette an.
    »Ja, glänzend«, erwidert Bruckmann. »Danke, Hauptsturmführer«, setzt er beflissen hinzu. Er reicht ihm Feuer.
    »Was Neues?« fragt Panofsky.
    »Rechtsanwalt Vollhals hat mich eine halbe Stunde lang genervt«, berichtet der untersetzte Beamte.
    »Dieser Schleicher«, erwidert Panofsky. »Was wollte er?«
    »Es handelt sich um die Paßgeschichte Steinbeil. Sie wissen doch, Hauptsturmführer.«
    »Ja, ich weiß«, unterbricht ihn der Knochige ungeduldig. »Will der Kerl sich mit uns anlegen?«
    »Der Parteigenosse Vollhals war soweit ganz vernünftig.«
    »Parteigenosse«, versetzt Panofsky und tippt sich an die Stirn. »Zechgenosse.«
    »Auch das«, bestätigt der Beamte. »Aber Vollhals hat seine Mandantin überredet, in dieser Paßgeschichte keinerlei gerichtliche Schritte zu unternehmen.«
    »Wie klug«, spottet der Besucher.
    »Außerdem ist die Bittstellerin bereit, eine Spende von tausend Mark zu bezahlen, für das Winterhilfswerk oder die NS-Volkswohlfahrt.«
    »Wie selbstlos«, erwidert der SD-Chef. »Hat diese Witwe denn so viel Geld?«
    »Frau Steinbeil besitzt ein Einfamilienhaus, erhält eine stattliche Pension, und ihren Eltern gehört ein Hotel am Vierwaldstätter See. Sie wissen ja, sie ist eine gebürtige Schweizerin.«
    »Was schlagen Sie vor, Bruckmann?«
    »Das – ich meine, diese Entscheidung möchte ich Ihnen überlassen, Hauptsturmführer«, stottert der Polizeibeamte.
    »Denkste«, erwidert der Besucher. »Da werden Sie schon Ihren eigenen Grips bemühen müssen.«
    »Dann würde ich – vorläufig – die Sache weiter aufschieben«, versetzt der Verschlagene.
    »Gar nicht so unklug«, lobt Panofsky. Ein Lächeln verwandelt sein Gesicht in ein Vexierspiel von Falten und Runzeln. Er ist ein blasser, pigmentarmer Typ. Die Iris seiner Augen zeigt ein verwaschenes Wasserblau, sieht mitunter aus wie zerlaufene Tempera. Himmlers Mann in Mainburg sieht einen Moment zum Fenster hinaus. Sein Blick umfaßt das idyllische Mühlenviertel im Sonnenglast. »Kommen Sie, Bruckmann«, sagt er. »Wir vertreten uns die Beine bei diesem prächtigen Wetter.«
    Die Spazierrunden legt Panofsky ein, wenn er besonders heikle Aufträge erteilt und in den engen Amtsstuben keine Zuhörer haben will. »Ich habe Ihre Kirchenberichte gelesen«, sagt er. »Immer wieder das Gleiche: ein Skandal. Diese Pfaffen hetzen versteckt gegen den Führer.«
    Der Oberkommissar nickt.
    »Ich weiß, daß wir in dieser schwarzen Hochburg nicht – noch nicht – schalten und walten können, wie wir wollen«, fährt der SD-Mann fort. »Es ist aber wirklich an der Zeit, Fraktur zu reden. Es nützt nichts, wenn der Kreisleiter seine Witze über das Domkapitel reißt. Dieser Eisenfuß ist mir ohnedies zu weich, zu nachgiebig.«
    »Aber er ist Mainbacher und kennt die örtlichen Verhältnisse aus dem Effeff.«
    »Sie meinen, im Gegensatz zu mir?«
    »Hab' ich nicht gesagt«, erwidert der Kriminalbeamte

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