Heldensabbat
hastig.
»Aber gedacht«, erwidert Panofsky lächelnd; doch damit legt er den verschlagenen Oberkommissar nicht herein: Es ist die Leutseligkeit des Wolfes, der die sieben Geißlein im Leib hat.
»Dieses Gespräch, das wir jetzt miteinander führen werden, fand nie statt.«
»Jawohl, Hauptsturmführer.«
»Keine schriftliche Fixierung. Kein Gedächtnisprotokoll. Keine schriftlichen Anweisungen an Ihre Leute, überhaupt nichts Schriftliches, Bruckmann. Kapiert?«
»Jawohl, Hauptsturmführer.«
Sie erreichen das Mühlwörth, gehen an dem durch ein Wehr gestauten linken Regnitzarm entlang, in Richtung Hain. Bruckmann, alias Duckmann, stapft stumm hinter seinem Einpeitscher her, ein ungleiches Paar: Es sieht aus, als hätte ein kleiner Mops Mühe, einem hochbeinigen Windhund zu folgen.
»Die Sache ist die«, holt Himmlers Statthalter weit aus, »wir haben die Kommunisten in Schutzhaft gesperrt, ihnen die Sozis hinterhergeschickt, die Deutschnationalen umgedreht und die meisten Juden aus Deutschland hinausgejagt. Nur dieser schwarze Block steht noch. Vor allem in Mainbach. Ich darf nicht an unser letztes Wahlergebnis denken, nicht einmal an das veröffentlichte. Diese Dunkelmänner und Brunnenvergifter stehen geschlossen gegen uns und fühlen sich so stark, fast unangreifbar. In dieser Phalanx müssen wir eine Bresche sprengen. Wir müssen diese schwarze Front, wie auch immer, zerschlagen.«
»Das ist mir seit langem klar«, erwidert der Oberkommissar, die letzten Worte verschluckend. »Ich hab' ja auch schon eine Sammlung angelegt, aber –«
»Viel Weihrauch, wenig Wolle«, klassifiziert Panofsky. »Wir haben der Bande zu beweisen, daß sie zerbrechlich ist. Wir schnappen uns einen ihrer Anführer und zerlegen ihn in seine Bestandteile. Vor Gericht. In aller Öffentlichkeit. Mit hieb- und stichfesten Beweisen. Und damit schüchtern wir alle ein, denn keiner möchte in eine ähnliche Lage kommen.« Er betrachtet seinen Befehlsempfänger. »Mit hieb- und stichfestem Material natürlich, das Sie mir beschaffen müssen, Bruckmann. Keine internen Informationen: beweisbare Zeugenaussagen für eine öffentliche Gerichtsverhandlung.«
»Schwierig«, entgegnet der Beamte. »Die Leute sind vorsichtig.«
»Dann müssen wir sie eben aus ihrer Reserve herauskitzeln. Mensch, Bruckmann, Sie wissen doch, wie man so etwas macht.«
»Natürlich, Hauptsturmführer. Denken Sie bei dem Präzedenzfall an einen Geistlichen?« fragt Bruckmann.
»Das ist mir im Grunde egal. Aber wenn Sie es genau wissen wollen: Ich denke in erster Linie an den Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Hartwig, den früheren Leiter der Katholischen Aktion.«
»Auch über diesen Mann stelle ich längst Ermittlungen an«, behauptet Bruckmann beflissen.
»Sehr weit sind Sie damit ja nicht gekommen«, konstatiert Panofsky. »Wir müssen diesen Widerling richtig drankriegen. Vor einem Sondergericht. Für was haben wir denn das Heimtückegesetz und solche Scherze? Nun hören Sie gut zu, Bruckmann. Ich will keine Bagatellstrafe. Ich möchte nicht, daß der Mann womöglich mit ein paar Jahren Haft und Berufsverbot davonkommt. Ich will ihn vernichten.«
»Verstehe«, erwidert der Kriminaloberkommissar. Aber es läuft ihm kalt über den Rücken. »Wie kommen wir an die Beweismittel?« fragt er, um Zeit zum Überlegen zu gewinnen.
»Durch Sie natürlich«, versetzt der Hauptsturmführer und lächelt frostig. »Durch wen denn sonst? Natürlich könnten wir uns so einen schwarzen Hetzer schnappen, ihn nach Dachau schicken und seiner Witwe später die Asche im Schuhkarton frei Haus liefern. Aber dadurch hätten die einen Märtyrer, und wir würden als heimliche Mörder verleumdet.«
Bruckmann nickt. Ein paar Arbeiter kommen ihnen entgegen, unterbrechen das Gespräch. Panofsky bleibt stehen und sieht zu der im Jahre 1020 gestifteten Stefanskirche hinauf, dem einzigen evangelischen Gotteshaus auf der ganzen Welt, das von einem katholischen Papst geweiht worden ist, wenn auch ein paar Jahrhunderte vor der Reformation. Sein Blick streift die barocke Concordia, das Haus der Eintracht, in einer Stadt, in die der Mann aus Mecklenburg Zwietracht bringen will.
Sie gehen weiter. »Ich habe heute morgen mit dem Ersten Staatsanwalt Rindsfell gesprochen. Sie wissen, das ist ein tüchtiger, nationalbewusster Mann. Er beschwerte sich, daß dieser Rechtsanwalt Dr. Wolf Hartwig – schon vor der Machtergreifung ein stadtbekannter Gegner des Führers – sich geradezu einen Sport daraus
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