Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heldensabbat

Heldensabbat

Titel: Heldensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
Vom Netzwerk:
macht, die Feinde der Bewegung vor Gericht zu vertreten. Es ist der Kristallisationspunkt des Widerstands, und das Schlimmste, er hilft nicht nur Leuten von der eigenen Farbe, sondern allen, die uns in die Quere kommen, und zwar in einer Weise, die unserem Ansehen und unserem Ruf enorm schadet. Ich finde es skandalös, daß so ein Winkeladvokat aus seiner Feindschaft zum neuen Deutschland auch noch ein Geschäft macht.«
    Bruckmann nickt servil; er weiß es besser, aber er hütet sich, es auszusprechen. Es ist ihm bekannt, daß der angefeindete Rechtsanwalt mindestens jeden zweiten Mandanten umsonst vor Gericht vertritt und viele Zivilprozesse gegen mächtige NS-Größen nur übernimmt, weil die Kläger keinen anderen Rechtsbeistand finden.
    »Wir müssen ihn ausmerzen«, fordert Panofsky.
    »Schwierig«, entgegnet der Beamte. »Der Mann ist vorsichtig und beruft sich natürlich auf sein Berufsethos.«
    »Ich weiß, ich weiß«, erwidert der Mecklenburger belustigt. »Auch Mördern, Räubern und Hühnerdieben werden ja Verteidiger gestellt. Ich will ihn auch nicht deswegen belangen, im Gegenteil, ich möchte beweisen, wie tolerant wir sind, beziehungsweise lange genug waren. Sie müssen sich da schon etwas Besonderes einfallen lassen, Bruckmann. Beobachten Sie den Mann auf Schritt und Tritt. Der Aufwand spielt dabei keine Rolle. Folgen Sie ihm in den Konzertsaal und zu seinen Exerzitien in Vierzehnheiligen, schleusen Sie ein brauchbares Hausmädchen bei ihm ein, oder noch besser eine politisch einwandfreie Sekretärin in seine Kanzlei. Lassen Sie sein Tun und Treiben keinen Moment aus den Augen.«
    »Das kann sich natürlich lang hinziehen.«
    »Das ist mir klar«, erwidert der SD-Mann. »Ich lasse Ihnen Zeit. Soll sich dieser Bursche ruhig noch mehr in Sicherheit wiegen, um so unvorsichtiger wird er auftreten.«
    »Das ist unsere Chance«, erwidert Bruckmann. »Aber ich werde Ihnen viel Geduld zumuten müssen, Hauptsturmführer.«
    »Hab' ich, hab' ich«, versetzt der Hagere ungeduldig. »Steinchen für Steinchen, ein richtiges Mosaik. Es beginnt schon vor 33 – und dann so weiter: suspekte Mandanten, Zitate aus dem Gerichtssaal, private Entgleisungen. Kleinvieh macht auch Mist. Und dann den großen Knaller. Dieser Hartwig stänkert. Sie schnappen seine Heimtücke auf, ich reiche sie weiter, und Staatsanwalt Rindsfell handelt entschlossen. Alles klar?«
    »Bis auf den großen Knaller«, antwortet der Oberkommissar.
    »Wie wär's, wenn wir auch seinen Neffen einschalten würden, diesen prächtigen Fähnleinführer?« überlegt Panofsky.
    »Als Spitzel, gegen den Onkel?«
    »Was für ein Wort«, weist ihn der Hauptsturmführer zurecht. »Als Vorposten unserer Bewegung. Lassen Sie mal, ich werde das über den Bannführer fingern, das fällt weniger auf. Wie gesagt, Bruckmann, ich lasse Ihnen schon Zeit.« Panofsky bleibt stehen und wartet, bis ihn der Kriminalkommissar ansieht. »Sie sind heute Behördenchef. Sie haben Ihren Aufstieg vom mittleren in den gehobenen Dienst geschafft. Wenn Sie mir Dr. Hartwig ans Messer liefern, überspringen Sie gleich zwei Ränge und stehen in einer Spitzenstellung im Höheren Polizei- und SS-Dienst.« Der SD-Mann stellt fest, daß er einem Zögernden Beine gemacht hat. »Darauf mein Wort«, verspricht er. »Und nun – frisch ans Werk!« Er reicht ihm die Hand.
    Sie trennen sich, der Hauptsturmführer geht in die Hainstraße zurück, Bruckmann ins Alte Rathaus.
    Die Sache Hartwig ist für Bruckmann alias Duckmann fatal, nicht zuletzt deswegen, weil der Anwalt zu den Spitzenmännern der Partei gehört hatte, die vor 1933 in Bayern an der Macht gewesen war und ihn herumgeschickt hatte. Damit muß man einfach fertig werden, sagt sich der Kriminalbeamte auf dem Weg nach oben. Arschbacken zusammen: Führer, befiehl, wir folgen dir – als Polizeirat, wenn nicht gar als Kriminaldirektor. Schließlich ist er jetzt auf den Führer vereidigt, wie damals auf die Weimarer Republik. Niemand kann von einem Staatsdiener verlangen, daß er den Schwur von heute nicht genauso befolgt wie den von gestern und vielleicht einen anderen von morgen.
    Aufregende Stunden zwischen Krieg und Frieden. Die Propaganda überschlägt sich. Ununterbrochen dröhnt der ›Egerländer Marsch‹ und droht zum Marsch-Marsch nach Prag zu werden. Dann eine Blitzmeldung: Die Regierungschefs Großbritanniens, Frankreichs, Italiens und Deutschlands kommen in München zu letzten Verhandlungen zusammen. Die Engländer und

Weitere Kostenlose Bücher