Heldensabbat
geraten. »Nehmen Sie Herrn Bertram die Anteile ab und machen Sie ihn zum bezahlten Geschäftsführer, ohne jeglichen Mitbesitz, dann könnte er keinen unkontrollierten Schritt mehr tun.«
»Das wird er künftig sowieso nicht mehr können, auch wenn ich ihm zehn Prozent vom Firmenvermögen belasse«, hatte die Frau mit der Aktenmajorität erwidert. »Ich will fair sein. Das hat Gustav – trotz allem – verdient, er hat hart gearbeitet, wenn auch in die eigene Tasche. Ich will meinen Mann nicht vernichten. Ich möchte ihm nur den unlauteren Gewinn abnehmen, nicht den verdienten. Wir werden getrennt leben, vielleicht lasse ich mich eines Tages auch scheiden – aber ich kann doch nicht so ohne weiteres aus meinem Bewußtsein streichen, daß Gustav der Vater meiner Kinder ist.«
Kurz nach Ingolstadt bricht Sibylle das Schweigen. »Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll, Mutter«, beginnt sie wieder, wo sie gestern spätabends aufgehört hat.
Hans Faber schließt sich ihren Worten an. Mathilde Bertram muß sich bis Mainbach der Dankesbeteuerungen der beiden erwehren; sie duzt bereits ohne Zögern Hans Faber, der sich noch ein paarmal verhaspelt und dann froh ist, daß Sibylle ihrer Mutter typisch weibliche Fragen nach der Herkunft der Frisur, des Make-up's, des Reisekostüms stellt und natürlich wissen will, wodurch diese plötzliche Wandlung, auf die sie seit Jahren vergeblich hingearbeitet hatte, eingetreten sei.
»Ganz einfach«, versetzt die vormals graue Maus. »Ich habe euren Brief erhalten und dachte, ich könnte euch keine hausbackene Mutter und Schwiegermutter zumuten – schließlich stehen uns ja jetzt Familienfeste bevor.«
Der alte Bertram tritt weder telefonisch noch persönlich in Erscheinung, aber seine Frau versäumt keine Zeit: In Mainbachs Tageszeitung erscheint, reichlich groß, die Verlobungsanzeige, zweiteilig. Auf der linken Seite grüßen die beiden jungen Menschen als Verlobte, rechts heißt es: »Gustav Bertram und Frau Mathilde, geb. Schündler, beehren sich, die Verlobung ihrer Tochter Sibylle mit Herrn Studienassessor Dr. Hans Faber mitzuteilen.«
So steht es in der Wochenendausgabe, schwarz auf weiß, und der Pädagoge wird mit Gratulationen überhäuft. Er kann das plötzliche Glück noch immer nicht fassen und sucht, so beständig wie vergeblich, den Pferdefuß.
Am Sonntagmorgen hat sich die Wohnhalle der Bertram-Villa in ein Blumenmeer verwandelt. Hans Faber steht etwas verlegen herum, wie der Mann, der das große Los gezogen hat und sich noch keine Vorstellung von der Höhe des Gewinns machen kann. Seine Freunde Robert und Claus bringen ihn wieder auf die Erde zurück. Die ›Drei Musketiere‹ sind komplett; sie scherzen und trinken unbefangen. Für ein paar Stunden kehren die alten Zeiten zurück.
»Gefallen dir meine Kumpane?« fragt Faber Sibylle.
»Warum hast du sie mir so lange unterschlagen?« erwidert die glückliche Braut.
»Sie sind ziemlich raue Burschen«, versetzt er. »Man muß sich erst an sie gewöhnen. Eines Tages werde ich dir auch erzählen, was Robert für mich getan hat.«
»Und auf diesen Tag«, sagt der Anästhesist, »da leeren wir jetzt das Glas.« Es ist eine Anspielung und eine Warnung zugleich, aber der Freund ist ohnedies auf der Hut.
Als Hans Faber mit Claus einen Moment allein ist, fragt ihn der Oberleutnant des Wehrbezirkskommandos: »Hast du deinen Schwiegervater eigentlich umgebracht?«
»Ich weiß nicht, was sie mit ihm gemacht haben«, geht der Freund auf den Ton ein, »irgendein Kniff in der Firma oder so was muß es wohl sein.«
»Du hast es geschafft«, versetzt Claus Benz. »Sibylle ist entzückend. Es lohnt sich wirklich, für sie den Kopf hinzuhalten – aber halt ihn trotz allem besser, solange es geht, aus der Schusslinie«, rät er.
Einer der ersten Gratulanten ist Stefan Hartwig, nicht in seiner Eigenschaft als Fähnleinführer, sondern als Klassensprecher der 8 c. Die Prozedur ist ihm zuwider, aber er findet ein paar offene menschliche Worte, und sein Ordinarius gibt sie ihm zurück, bevor Stefan und Rolf Bertram in einer Ecke miteinander zechen, als trainierten sie schon für die Abitursiegesfeier.
Der nächste Glückwunsch kommt von Oberstudiendirektor Dr. Hans Schütz. Der Rex überreicht ein riesiges Rosengebinde mit blumigen Worten. Er hält dabei – wie alle andern Teilnehmer der Gratulationscour – vergeblich Ausschau nach Gustav Bertram. Fragen werden nicht gestellt, Erklärungen nicht
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