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Heldensabbat

Heldensabbat

Titel: Heldensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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steht wenigstens nicht wie ein Bauer da, der übertölpelt wurde.
    »Telefon, Stefan«, stört ihn seine Mutter ein zweites Mal. »Der Bannführer«, erklärt sie, als sie sieht, daß er unwirsch reagieren will.
    »Wie geht's dir?« fragt Martin Greifer.
    »Ausgezeichnet, Bannführer. Da ich beurlaubt bin, habe ich ja Zeit, mich auf das Examen vorzubereiten.«
    »Und du hast eine Riesenwut auf mich?«
    »Das gerade nicht«, antwortet der beurlaubte Fähnleinführer, »aber ich bin stocksauer.«
    »Dann kommst du am besten gleich bei mir auf der Dienststelle vorbei, damit wir das aus der Welt schaffen.«
    »Jawohl, Bannführer«, entgegnet Stefan. Er schwingt sich aufs Fahrrad, passiert den Schönleinsplatz, radelt durch die Hainstraße.
    Greifer geht vor dem HJ-Gebäude auf und ab: Er hat auf Stefan gewartet. »Vertret' mit gerade die Beine«, begrüßt er seinen gemaßregelten Fähnleinführer. »Also, du bist stocksauer auf mich?«
    »Ja, und ich hab' eine andere Auffassung von den Zielen unserer Bewegung.«
    »Mit Recht«, hakt Greifer ein. »Ich weiß, daß du von selbst zu mir kommst, wenn Feinde unserer Idee gegen den Führer hetzen. Das ist selbstverständlich etwas anderes, als Leute zu bespitzeln und sie hinten herum zu verpfeifen.«
    »Aber das sollte ich doch tun.«
    »Das war gewissermaßen eine charakterliche Prüfung«, behauptet der Bannführer. »Bravo, Junge, du hast sie glänzend bestanden. Du hast reagiert, wie wir es erwartet haben.«
    »Eine Prüfung?« versetzte  Stefan mit spöttischem Lächeln, denn der Kreisleiter muß Greifer ganz schön in den Hintern getreten haben, wenn er nunmehr mit so einem dummen Geschwafel kommt.
    »Hör mal gut zu, Stefan«, fährt der vorzeitige Schulabgänger fort. »Du weißt, daß die alten Spartaner ein Vorbild unserer Jugenderziehung sind?«
    Der aufgeschossene Junge nickt.
    »Du weißt auch, daß man den jungen Spartanern so wenig zu essen gab, daß sie sich Nahrung organisieren mußten?«
    »Aber ja«, erwidert Stefan. »Wenn sie geschnappt wurden, hat man sie halb totgeschlagen, wenn sie sich nicht erwischen ließen, belobigt.« Er bleibt einen Moment stehen. »Was hat das eigentlich mit mir zu tun?« fragt er dann.
    »Wir mußten dich einer Spartanerprobe unterziehen. Betrachte das Ganze als ein Charakterexperiment, das du blendend bestanden hast.«
    »Aber ich hab' doch gar nichts geklaut.«
    »Wir haben die Sache ja auch zeitgemäß abgewandelt«, erklärt Greifer, und sein verdicktes Augenlid zuckt ein paarmal. »Deiner Beförderung zum Stammführer steht also nichts im Wege; es war die letzte Hürde.«
    Stefan mißtraut Greifers Wissen über das alte Sparta gründlich, zumal der Vergleich hinkt. Aber letztlich ist es gleichgültig, Hauptsache, er ist rehabilitiert.
    »Am nächsten Samstag«, erklärt der Bannführer, »am Vorabend des großen Bannsportfestes wirst du besonders ausgezeichnet werden. Ich wollte dich nur schonend darauf vorbereiten. Wenn Stemmle zurücktritt, wirst du sein Nachfolger als Stammführer. Willst du einstweilen dein Fähnlein wieder übernehmen oder gleich darauf warten, bis Stemmle eingezogen wird und du an seine Stelle rückst?«
    »Das wäre mir am liebsten«, antwortet Stefan. »Das ließe mir Zeit für meine Abiturvorbereitung.«
    »Eben«, erwidert Greifer. »Wir legen Wert darauf, daß unsere Führer auch noch in der Schule dastehen wie eine Eins.« Er schluckt, wohl in Erinnerung an seine eigene Schulmisere. Er streckt Stefan die Hand hin. »Sind wir Freunde?«
    »Jawohl, Bannführer.«
    Stefan fährt zurück, erleichtert und belastet zugleich. Der noch nicht ganz Achtzehnjährige hat Karriere gemacht, aber er spürt auch, daß etwas faul ist an der Geschichte. Logisch ist wohl nur die Annahme, daß der Kreisleiter ordentlich zugeschlagen hat und Greifer weiche Knie bekam.
    Er tritt in die Pedale, fährt einen Umweg, denn mit der Abi-Ochserei ist es heute vorbei, es fehlt ihm die Konzentration. Er radelt durch die Amalienstraße und wundert sich, wie wenig ihn Rehabilitierung und Aussicht auf vorzeitige Beförderung bewegen. Vor ein paar Wochen noch hätte er dafür Bäume ausgerissen. Jetzt aber ist sein Mißtrauen größer als seine Begeisterung. Schließlich wird ihm klar, daß trotz des Händedrucks Greifer bei ihm unten durch ist. Das ist nicht so schlimm; es steht mancher in der Bewegung vielleicht am falschen Platz, doch nur auf die Idee kommt es an, nicht auf die Person.
    In diese Vorstellung steigert sich

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