Heldensabbat
Sibylle.
»Deine Mutter ist eine großartige Frau«, entgegnet er. »Aber unser Gegner war von Anfang an dein Vater.«
»Etwas verstehe ich ja nicht ganz. Warum ist meine sparsame Mutter auf einmal in dieser Luxusherberge abgestiegen?«
»Vielleicht tagt dort das Scherbengericht«, entgegnet Faber.
»Das glaube ich nicht. Mutter war ja in unser Italien-Unternehmen eingeweiht und mit ihm einverstanden.«
»Vielleicht ist sie dann mitangeklagt?« erwidert der Pädagoge.
Sibylle stößt ihn scherzhaft mit der Faust in die Seite. »Du bist ein wirklich unverbesserlicher Pessimist. Küß mich und halt den Mund!«
Der Bus startet am nächsten Morgen um 8 Uhr. Der SA-Mann trägt immer noch Zivil. Ein paar ältere Mitreisende schwärmen von Rom und der Anführer der Skatrunde von einem Grand ohne vier, den er mit Contra und Re gewonnen hat. Langsam rollt der Wagen zum Brenner hoch; am Abend wird er in München sein.
»Wie fühlst du dich, Hans?« fragt Sibylle.
»Glänzend«, erwidert er. »Avanti, signorina, avanti!«
Als sie in München vor dem Hotel aus dem Taxi steigen, ist ihr Übermut ein wenig gedämpfter. Sibylle fragt nach ihrer Mutter.
»Frau Bertram ist in der Halle«, erklärt der Rezeptionist. »Hier, gleich nebenan.«
»Komm«, sagt Sibylle zu ihrem Begleiter und geht voraus.
Nur wenige Tische sind besetzt. Die Studentin sieht von einem zum andern. Mutter ist jedenfalls nicht unter den Menschen, die hier ihre Zeit absitzen. Sie will schon gehen, als ihr eine Dame, offensichtlich eine elegante Bekannte, vom linken Ecktisch her zuwinkt.
Wenig begeistert geht Sibylle auf sie zu.
Ein paar Meter vor ihr bleibt sie ein paar Sekunden wie angewachsen stehen, hastet dann mit einem Satz in die Arme ihrer Mutter. »Mein Gott, siehst du gut aus!« sagt sie. »So eine Überraschung. Ich kann's nicht glauben. Ich traue meinen Augen nicht!« Sie dreht sich nach ihrem Begleiter um. »Hans, erkennst du meine Mutter wieder?«
»Ich versuche es«, erklärt er und küsst seiner künftigen Schwiegermutter die Hand.
»Setzt euch, Kinder«, fordert Mathilde Bertram auf. »Ihr seht prächtig aus. Ihr bekommt einander gut. Die offizielle Verlobung habe ich auf den übernächsten Sonntag angesetzt. Recht so?«
Die beiden starren sie sprachlos an.
»Und Vater?« fragt Sibylle vorsichtig.
»– ist nicht begeistert, aber er stimmt der Verbindung zu.«
»Das hast du alles für uns getan, Mutti?«
»Ich will ja, daß es dir einmal besser geht als mir, Kind«, sagt sie.
»Und wie hast du das geschafft?« fragt Sibylle.
»Mein Geheimnis«, erwidert Mathilde Bertram mit einem rasch wieder weggewischten Lächeln. »Gar nicht so kompliziert, Kind. Du studierst doch Volkswirtschaft. Hast du vergessen, daß zwei Drittel unserer Firma, dir, deinem Bruder und mir gehören?«
»Das mein' ich doch nicht –«
»Wissen Sie«, überhört die Siegerin von gestern die ungestellte Frage und wendet sich an Faber, »daß Sie kein armes Mädchen heiraten werden?«
»Das interessiert mich nicht«, entgegnet der Erzieher leicht bekümmert.
»Sibylle wird bald eine Über-ein-Drittel-Mitbesitzerin der ›Bertrag‹ sein –«
»Um Gottes Willen«, erwidert Faber erschrocken.
»Stört Sie das?« fragt die künftige Schwiegermutter. »Sie brauchen sich nicht zu verteidigen, Hans. Sie sind kein Mitgiftjäger. Damit kenne ich mich aus«, versetzt sie, und ein paar schnelle Falten vergehen sich an ihrem tadellosen Make-up. »Außerdem verstreichen noch drei Jahre Zeit bis dahin«, setzt sie hinzu.
»Bis dahin«, entgegnet Faber, ohne es zu wollen, »sind wir vielleicht alle ärmer, als wir es uns heute vorstellen können –«
»Darüber wollen wir jetzt nicht sprechen«, entscheidet Mathilde Bertram, »obwohl Sie vielleicht recht haben.«
Die Fahrt von München nach Mainbach am nächsten Tag im firmeneigenen Mercedes, gelenkt von dem bewährten Heinemann, verläuft zunächst schweigend. Kurz vor der Abreise hatte Mathilde Bertram noch eine Besprechung mit Dr. Fendrich, der in München bleiben wird, bis er die peinlich genaue Prüfung der Geschäftsbücher abgeschlossen hat.
»Die Manipulationen zu Ihren Ungunsten, Falschbuchungen und Entnahmen sind weit schlimmer, als ich bisher angenommen habe, Frau Bertram«, hatte der Wirschaftsjurist festgestellt. »Sie würden es Ihnen ohne weiteres erlauben, Ihren Mann ganz aus der Firma hinauszudrängen.«
»Das will ich nicht.«
»Überlegen Sie es sich genau«, hatte Dr. Fendrich
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