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Heldenstellung

Heldenstellung

Titel: Heldenstellung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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Darin ähnelt er Jay und Thomas – und vor allem meinem Vater.
    Kurz nach Mitternacht haben wir die wichtigen Punkte beisammen. Eine Sekunde lang überlege ich, Adam auch noch um Rat in meinem ganz persönlichen Case Sina zu fragen, aber nachher rät er mir noch von der Sache ab.
    Bis zum nächsten Morgen arbeiten wir in zwei Schichten an der PowerPoint-Präsentation: Adam und Thomas, Jay und ich. Zwei Leute schlafen kurz, zwei arbeiten.
    Als die Sonne aufgeht, ist die Präsentation fertig. Adam schlägt vor, dass wir nun drei Stunden am Stück schlafen und uns dann wieder treffen.
    »Diesmal werde ich die Agentur nicht verlassen«, sage ich. Adam grinst. Es steht ihm ganz gut.
    »Jetzt erinnerst du mich zum ersten Mal an deinen Vater«, sagt er. Wir schicken Jay, Thomas und Ben nach Hause und machen uns zu zweit daran, die Präsentation einzuüben.
    Unter allen Schauspiellehrern, die ich hatte, ist Adam der härteste. Wir beginnen mit Gestentraining. Adam lässt mich immer und immer wieder die erste Folie erklären, in der ich erläutere, dass es uns nicht nur gelungen ist, das EcoFit-Konzept auszuarbeiten, sondern, dass wir darüber hinaus sogar ein All-inclusive-Konzept entwickelt haben.
    »Khamroff darf nicht denken, dass wir die Richtung wegen eines Fehlers geändert haben. Er bezahlt uns, weil wir das bestmögliche Ergebnis erarbeiten.«
    Gegen Mittag bin ich so müde, dass ich fast im Stehen einschlafe. Adam, der gar keinen Schlaf zu brauchen scheint, verordnet mir einen zwanzigminütigen Powernap. Anstatt sich auszuruhen, hat er sich Kopfhörer aufgesetzt und tippt erneut an seinem Computer. Dabei hört er Musik. Ich meine, Metallica zu erkennen, und will den Daumen nach oben recken, aber da bin ich schon eingeschlafen.
    Nach dem Nickerchen geht die Präsentation wieder von vorn los. Während ich referiere, korrigiert Adam meine Haltung: »Schultern zurück, Brust raus, Blick nach vorn und die Mundwinkel nach oben strecken.« Wenn ich mich nicht irre, habe ich genau das auch schon von Sina beim Yoga gehört.
    »Bist du morgen auch bei der Präsentation dabei?«, frage ich ihn. Aber Adam muss gleich in der Früh zu einem anderen Kunden nach Amerika fliegen, einem Automobilkonzern, der in der Krise steckt.
    »Wie machst du das eigentlich?«, frage ich ihn. »Die ganze Arbeit, der Stress? Hast du auch einen Ausgleich – so wie Yoga?«
    Adam lacht. »Ich habe meinen Job. Mehr brauche ich nicht.«
    Als die ersten Folien sitzen, mache ich mich daran, die gesamte Präsentation auswendig zu lernen. Adam zwingt mich, sie auch einmal rückwärts, also mit den letzten Folien zuerst, zu halten, damit ich die Struktur verinnerliche.
    Am Nachmittag kommen Jay, Ben und Thomas zurück und müssen das Testpublikum geben. Sie sind sowohl gnadenlos als auch konstruktiv-kritisch. Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, dass die ganze Sache doch noch ein gutes Ende nehmen könnte. Um Punkt zehn schickt uns Adam nach Hause, weil ich acht Stunden schlafen soll, damit ich nicht »so ausgespuckt« aussehe. Aber auch er wirkt nun erschöpft.
    »Du hast was gut«, sage ich. Adam schaut mich an.
    »Das weiß ich. Unser Deal ist, dass du nach der Präsentation verschwindest. Und dabei bleibt es. Wir werden keine Freunde werden.«
    »Einverstanden. Eine Bitte noch.« Adam zieht die Augenbrauen hoch, er scheint fast ein bisschen genervt.
    »Frederick, ich muss noch meine eigene Präsentation vorbereiten.«
    »Es geht um meinen Vater«, sage ich. Adam nickt und schaut mich konzentriert an.
    »Bitte schick ihn erst in Rente, wenn er das Rentenalter erreicht hat.«
    Adam legt mir die Hand auf die Schulter.
    »Das hat er schon vor zwei Jahren. Oder glaubtest du echt, er sei erst 62? Es ist dein Vater, rechne einfach mal nach. Ich will seinen Job nicht, weil ich aufsteigen will, sondern weil er aussteigen sollte.«
    Dabei schaut er so treuherzig, dass ich ihm das sogar fast abkaufe.

Exit-Szenario
    Mein großer Tag: Khamroff ist pünktlich gelandet. Danilo hat das Studio nach Rücksprache mit Adam in Grün, Weiß und Gold streichen lassen. Dazu hat er noch eine Menge Geld in Kerzenhalter, mannsgroße Farne und Schwarzweiß-Fotografien von Urwaldbäumen investiert. Jetzt sieht EcoFit von innen aus wie eine Go green-Version von Schloss Neuschwanstein.
    Im gläsernen Trainerbüro gehe ich ein letztes Mal die Präsentation durch. Heute Morgen habe ich sie noch einmal vor dem Spiegel gehalten, so wie früher im Schülertheater. Eigentlich

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