Heldenstellung

oder Schauspieler.«
    Mein, nein unser Backoffice sieht zu mir herüber.
    »Aber den muss es auch geben«, sagt Adam. »Du kannst präsentieren, Khamroff mag dich, und du hast das Herz am rechten Fleck.«
    »Und die EcoFit-Idee?«
    »War gut, aber nur ein erster Schritt.«
    Dann erklärt er mir, dass die EcoFit-Idee auch weiter im Plan A inbegriffen sei – »aber nicht als Hauptthema. Es ist viel zu teuer, so viele Geräte herzustellen, um so wenig Strom zu produzieren.«
    Strom soll nur auf Cardiogeräten erzeugt werden, eben wie im Hamsterrad.« Die gewonnene Energie soll gespeichert und in einer Art Bonussystem für EMS, also Elektromuskelstimulation, verwendet werden.
    Davon habe ich schon mal gehört: »Als ich Berlin verließ, haben in unzähligen Ladenbüros solche Studios aufgemacht. Darin standen dann je zwei Leute in Bodysuits, die mit Fitnessgeräten verkabelt waren. Sie hielten eine Pose und sahen dabei fürchterlich angestrengt aus.«
    »Weil ihre Muskeln mit Reizstrom stimuliert wurden«, ergänzt Ben. »Jeden Augenblick schießen ganz natürliche bioelektrische Impulse durch unseren Körper. Die Elektromuskelstimulation verstärkt diese Impulse durch zusätzlichen, kaum spürbaren Strom. Den können die Menschen nun selbst beim Aufwärmtraining erzeugen. Das ist sehr wenig Strom, aber er führt zu einem viel effektiveren Training. In 15 Minuten können Sportler ihre Muskeln dreimal so stark beanspruchen wie sonst. Leistungssportler trainieren schon seit Jahrzehnten so.«
    Ich nicke. Klingt gut. »Und wozu braucht ihr mich?«
    »Es ist dein Projekt. Du hast es angefangen, du solltest es zu einem guten Ende bringen«, sagt Adam. »Vorausgesetzt, du bist bereit, wie ein echter Berater zu arbeiten.« Ich stehe auf.
    »Wann fangen wir an?«
    »Jetzt.« Adam macht eine kurze Pause und sieht mich an. »Du wärst gern ein besserer Mensch, oder?«
    Ich nicke. »Zumindest ein bisschen schlauer und strukturierter.«
    »Dann bist du der ideale Kandidat für Khamroffs neues All-inclusive-Studio.«
    Adams Idee ist so simpel wie genial. Die Boulevard-Sendungen haben das Thema Selbst-Optimierung bereits aufgegriffen: Menschen werden geliftet, müssen abnehmen, kochen oder Manieren lernen.
    »Wir drehen es noch weiter«, sagt Adam. »In dem All-inclusive-Studio wird nicht nur der Körper optimiert, sondern auch der Geist. Der Gedanke von Nachhaltigkeit und einer Verbesserung der Lebensumstände wird im Fitness-Studio umgesetzt: die Trainierenden besuchen Rhetorik-Seminare, Knigge-Fortbildungen, bekommen eine Typberatung zu ihrem Kleidungsstil oder ihrem Make-up. Mit einem Psychologen wird das Verhalten im Alltag und bei Bedarf auch in Krisensituationen analysiert und optimiert. Alle Teile von uns, die sich verbessern lassen, werden wir verbessern. Denn darum geht es uns allen: Wir wollen immer besser sein.«
    Kurz muss ich an Sina und Hari denken, konzentriere mich aber gleich wieder auf die Präsentation.
    Dann machen wir uns an die Arbeit. Zuerst bitte ich Ben, mir seine EcoFit-Maschinen zu erklären – und zwar so genau, dass mir der Kopf raucht. Ich teste sie eigenhändig und lasse mich im Lab an ein EMS-Gerät anschließen. »Elektro-Boogie«, nennt Ben es. Trotz meiner vehementen Forderung will er aber keine Stromstöße durch mein Hirn jagen, um es auch mal ein bisschen zu stimulieren.
    Danach gehe ich mit Adam die Liste der Coaches durch.
    »Uns fehlen nur noch ein paar Wellness-Spezialisten«, meint er. »Aber vielleicht ist das auch schon wieder zu weit gedacht.«
    »Vielleicht aber auch nicht«, entgegne ich und hole die Liste mit den Kontakten von Sina und mir heraus, die wir Danilo in dem indischen Restaurant zeigen wollten. »Wir können einfach diese hier nehmen.«
    Adam schaut überrascht zu Jay herüber. Der zuckt mit den Achseln. Sinas und meine Yoga-Event-Liste fügt sich bestens in die All-inclusive-Idee ein. Wir gehen jeden einzelnen Teilnehmer durch und recherchieren mögliche Synergien mit dem Khamroff-Projekt. Ehe ich mich versehe, macht mir die Arbeit Spaß.
    Jay, Thomas und Ben sind wirklich gut in ihren Schlussfolgerungen, aber Adam ist der Beste von ihnen. Mit erschreckender Logik erkennt er Schwachstellen und deren mögliche Auswirkungen auf das gesamte Konzept. So seltsam das auch klingt, ich bewundere ihn ein bisschen. Nicht das Roboterhafte an seiner Logik und seiner Leistungsfähigkeit, vielmehr die nüchterne Präzision. Er ist kein Träumer, sondern orientiert sich nur an Fakten.