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Heldenstellung

Heldenstellung

Titel: Heldenstellung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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kommst du automatisch in die Auswahl für den Aufsteiger des Jahres.« Er taxiert mich mit seinem Beraterblick.
    Wortlos umarme ich meinen Vater und merke, wie er sich versteift.
    »Wir sehen uns später«, sage ich und drehe mich um. Aber er packt mich an der Schulter und dreht mich zurück.
    »Du kannst jetzt nicht einfach abhauen. Du hast einen Job. Darin wartet ein russischer Milliardär darauf, dir sein Geld in den Rachen zu schmeißen.«
    »Ich will es nicht.«
    »Aber ich. Und ich bezahle dein Gehalt«, wettert mein Vater.
    »Wenn du jetzt gehst, dann kannst du sehen, wo du bleibst.« Einen Moment überlegt er. »Deine Mutter hätte nicht gewollt, dass du mich im Stich lässt.«
    Ich spüre, wie die Wut in mir aufsteigt. Doch plötzlich sehe ich vor meinem inneren Auge Hari, seinen seltsamen Bürstenschnitt, die John-Lennon-Brille und höre seine ruhigen Worte: »Gleichmut ist gleich gut.«
    »Namasté«, sage ich zu meinem Vater und gehe einen Schritt nach vorn. Die elektrischen Türen öffnen sich.
    »Namasté du mich auch!«, ruft er hinter mir her.
    Dann trete ich hinaus, wild entschlossen, mein Herz und Sina zu retten. Ist eh das Gleiche.
    Fünfzehn Minuten später hält das Taxi vor Haris Yoga. Ich springe aus dem Wagen und spurte die zwei Treppen in den ersten Stock hinauf. Schon bevor ich oben bin, höre ich aufgeregte Stimmen. Mit einem Ruck reiße ich die Tür auf und platze wenig später in den Umkleideraum. Etwa zehn Yoga-Prüflinge, Männer und Frauen, die ich sofort an ihren schlecht sitzenden Hosen und ihrem viel besser sitzenden Lächeln erkenne, stehen an der Küchenzeile um eine große Teekanne. Error sitzt auf einer Setu-Bandha-Bank und hält sich das Knie. Neben ihm hockt Zoe, streichelt abwechselnd seine Hand und seinen Kopf. Satan starrt sie feindselig an, doch Error grinst wie unter Betäubung.
    »Ist alles irgendwie anders gekommen, als ich gedacht habe«, meint er und nickt mit dem Kopf in Richtung Zoe. »Aber das Knie ist hin. Jetzt muss Fredman tatsächlich mal eine Welt retten, die gerade zusammenbricht. Die von Sina.«
    Er legt einen Arm um Zoe und einen um Hari.
    »Eins, zwei, drei, hopp«, befiehlt der, und schon kommen die drei auf die Beine. Error heult kurz auf, und Mops Satan stimmt sofort ein.
    Hari deutet zu dem Ashram: »Sie ist dort drin«, raunt er und legt mir die Hand auf die Schulter. »Buddha hat gesagt: Willst du wissen, wer du warst, so schau, wer du bist. Willst du wissen, wer du sein wirst, so schau, was du tust.«
    »Alles klar«, sage ich und recke den Daumen nach oben. »Dann schau ich mal.«
    Die anderen Yogaprüflinge ziehen sich langsam in Richtung Tresen zurück. Aus dem Ashram dringt ein leises Schluchzen.
    »Sina«, sage ich leise. »Ich bin es.«
    »Hau ab!«, höre ich ihre Stimme hinter dem Vorhang. »Geh zu deinem Vater und eurer Präsentation. Es ist doch schon nach zehn.«
    Es wird still. Ich höre ein Räuspern, dann ein Schnäuzen, Naseputzen, dann wieder Sinas Stimme: »Oder hat euer Kunde sie verschoben?«
    »Nein«, sage ich. »Du hast sie verschoben. Und irgendwo hast du auch meine Sicht auf die ganze Sache verschoben.«
    »Du bist echt zu blöd. Dein Vater ist bestimmt stinksauer.«
    »Deiner wird auch sauer, wenn du nicht gleich hinter dem Vorhang hervorkommst und eine erstklassige Yogaprüfung ablegst. Denn wenn du die nicht bestehst, musst du dich am Ende wieder mit Unternehmensberatern herumschlagen. Und das willst du doch nicht, oder?«
    Sina schluchzt erneut. »Error hat sich das Knie verletzt, mit wem soll ich denn jetzt die Prüfung ablegen?«
    »Du könntest jeden nehmen. Darum geht es doch. Dass du jedem Yoga beibringen könntest. Sogar bei mir hat das geklappt. Und ich stehe gern noch mal als Versuchskaninchen zur Verfügung.«
    »Echt . . .?«, fragt Sina.
    »Alles ist richtig, so wie es jetzt ist«, füge ich hinzu.
    »Hat dir das mein Vater gesagt?«
    »Nein, mein Herz. Aber lass mich bitte keinen Kopfstand machen.« Jetzt meine ich sogar, ein Kichern zu hören.
    »Ich kann da nicht raus, ich bin total verheult.«
    »Wenn du nicht rauskommst, komme ich rein«, sage ich und schlage den Vorhang zurück. Sina hat sich wie ein gejagtes Tier in die hinterste Ecke des Ashrams verkrochen. Sie klammert sich an ein grünes, längliches Kissen. Vorsichtig gehe ich zu ihr hin, knie mich hinunter und nehme sie in den Arm.
    »Es tut mir leid. Ich bin ein Idiot. Was wirklich gut für einen ist, erkennt man manchmal erst,

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