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Heldenstellung

Heldenstellung

Titel: Heldenstellung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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mich neben ihn setze, schaut er auf.
    »Du hast gewonnen«, sage ich. Er nickt, tippt aber weiter in seinen Computer, drückt eine letzte Taste, atmet tief durch, setzt sich auf und sieht mich an:
    »Was willst du eigentlich hier?«
    »Meinen Job machen«, sage ich und erzähle ihm von dem Deal mit meinem Vater. »Ich muss Khamroff noch eintüten. Aber ohne dich schaffe ich das nicht.«
    »Du willst diesen Job machen?«, fragt Adam. »Da muss ich mir nämlich ganz sicher sein, denn sonst verschwende ich hier nur meine Zeit. Und die ist kostbar.« Ich nicke entschlossen.
    »Es ist ein guter Job, eine gute Sache. Wir zeigen den Menschen, dass sie nachhaltig . . .«, beginne ich, da hat sich Adam schon wieder seiner Tastatur gewidmet. »Ich will meinem Vater zeigen, dass ich kein Versager bin«, sage ich. Adam stutzt und sieht mich überrascht an. Ich zucke mit den Schultern.
    »Klingt bescheuert, ich weiß. In einem Monat werde ich dreißig und meine immer noch, meinem alten Herren imponieren zu müssen.« Keine Ahnung, warum ich plötzlich so ehrlich bin, aber es fühlt sich richtig an.
    »Das verstehe ich gut«, sagt er und seufzt. Die ewige Angriffslust ist aus seinem Gesicht verschwunden.
    »Ich komme aus dem Galluviertel hier in Frankfurt«, sagt Adam. Das war damals der soziale Brennpunkt der Stadt. »Meine Familie kommt aus Russland, wir sind Migranten. Ich habe sechs große Brüder, drei sitzen im Gefängnis, einer ist auf der Flucht, zwei lassen sich nicht erwischen. Sie sind alle genauso kriminell wie mein Vater.« Adam seufzt.
    »Und moralisch gesehen bin ich das wahrscheinlich auch. Dabei wollte ich es besser machen als sie, weil ich wollte, dass mein Vater stolz auf mich ist.«
    »Ist er es?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Adam erzählt, dass er keinen Kontakt mehr zu seinem Vater habe. Auch früher habe er nie einen richtigen Kontakt zu ihm gehabt. Sein Vater war jemand, der ihn nie auf den Arm genommen hat, der spät nachhause kam und den er siezen musste.
    »Beste Noten in der Schule, Medaillen im Sportverein, nach der Schule habe ich im Supermarkt gearbeitet und nachts in der Küche eines Restaurants, anstatt mich herumzutreiben und Mist zu bauen wie meine großen Brüder.« Er sieht mich ernst an.
    »Aber mein Vater konnte nichts mit mir anfangen. Manchmal ist das leider so.« Eines Tages sei er mit Adams Mutter einfach verschwunden und habe ihn bei seinen Brüdern gelassen.
    Ein halbes Jahr lang habe Adam die ewigen Streitereien, die Drogen und das Milieu ausgehalten. An seinem sechzehnten Geburtstag habe er seinen ältesten Bruder gebeten, sich als sein Erziehungsberechtigter auszugeben und ihn auf einer Wirtschaftsschule anzumelden. Dort lernte er meinen Vater kennen.
    Seitdem ist ihm Adam nicht mehr von der Seite gewichen. Mein Vater hat ihn direkt nach der Wirtschaftsschule eingestellt. Während sich die meisten Männer mit vierzig eine zweite, heimliche und hübschere Frau zulegen, hat sich mein Vater einfach einen zweiten, klügeren Sohn besorgt.
    »Und jetzt kommst du aus Amerika zurück und willst dir ihn und meinen Job unter den Nagel reißen?«, murmelt Adam, und der Terrierblick kehrt auf sein Gesicht zurück.
    »Also ehrlich gesagt ist er nicht dein Vater.«
    »Dein Vater ist mein Vater«, zischt Adam und steht auf. Aber ich bleibe sitzen.
    »Ich frage mich, welchen seiner beiden Söhne er lieber mag«, sagt er.
    Ich sehe Adam direkt in die Augen.
    »Er mag dich lieber. Weil du so bist wie er. Du bist der Sohn, den er sich immer gewünscht hat. Er wollte sich nur noch einmal überzeugen. Deshalb hat er mich nicht weggeschickt.«
    Adam schaut mich überrascht an.
    »Was sagst du da?« Ich zucke mit den Schultern.
    »Dass er dich lieber mag. Ist doch klar. Mir wollte er nur eine Chance geben. Oder sich noch mal vergewissern, dass ich nichts tauge. Vielleicht wollte er mich auch demütigen – keine Ahnung.« Adam setzt sich wieder und schaut mich aufmerksam an.
    »Willst du mich reinlegen?« Ich schüttele den Kopf.
    »Nein – ich will mich mit dir vertragen. Ich bin kein Berater, sonst hätte ich das damals schon auf der Wirtschaftsschule gemerkt. Bisher dachte ich immer, ich sei ein Schauspieler, aber das bin ich wohl auch nicht – oder zumindest noch nicht. Aber jetzt muss ich erst mal diese eine Sache zu Ende bringen. Ich will nicht wieder abstürzen. Also: Nein, ich will kein Berater sein, aber ja, ich will diesen Job machen. Ohne dich schaffe ich das nicht.«
    Ich gehe zu meinem

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