Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heldenwinter

Heldenwinter

Titel: Heldenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
Vom Netzwerk:
einen Mann tiefer als die Zurückweisung durch eine schöne Frau, die er mit jeder Faser seines Herzens begehrt. Sein sehnendes Fieber schlägt dann in etwas Giftiges, Zersetzendes um. Ich ahnte es damals noch nicht, doch der Moment in diesem verfluchten Kloster, als sich Lodaja für mich und gegen Waldur entschied, war gleichzeitig der Augenblick, in dem er sie zu hassen begann. Und mich womöglich auch …
    Zurück zu Arvid. Er trug zu jener Zeit bereits die Zahl Sechsundzwanzig im Nacken, und wenn die Königlichen Hautschreiber bei ihm auftauchten, dann nur, um ihm eine noch höhere Zahl zu verpassen. Die Häuser der Adligen und ein Kaninchenbau haben eines gemeinsam: Man braucht nur zu blinzeln, und schon sind wieder neue Junge da. Arvid war nicht mehr der Jüngste, und mit jedem weiteren Sommer, der verging, rückte der Thron für ihn in immer weitere Ferne.
    Ich habe dir davon berichtet, wie der Adel mit Sprösslingen wie Arvid umspringt: Sie werden von Kindesbeinen an belächelt und nie ganz für voll genommen. In seltenen Fällen jedoch braucht ein anderer Adliger, der nach oben will, ein passendes Werkzeug. Als Sündenbock, falls eine Intrige aufgedeckt wird. Als gekauften Unterstützer bei einer wichtigen Vorsprache bei Hofe. Als Schildknecht bei einer schon verloren gegebenen Schlacht. Ein solcher Mann versuchte, Arvid für seine Pläne zu gewinnen.
    Er trug die Fünf im Nacken. Nur fünf andere standen zwischen ihm und dem Thron. Seine Gier nach Macht muss unerträglich gewesen sein. Leute wie Arvid, die sich in der Thronfolge auf den hintersten Rängen wiederfinden, fügen sich meist irgendwann in ihr Schicksal, nicht in die Annalen des Reichs einzugehen. Aber Leute wie Fünf? Für sie ist die Versuchung, ihrem Schicksal ein wenig auf die Sprünge zu helfen, unermesslich groß. Sie sind es gewohnt, ein paar Hiebe mit der Knute auszuteilen, um ihrem Willen Nachdruck zu verleihen. Fünf war nicht einmal ein besonders schlechter Mensch. Er hatte alles, was einen König in der Vorstellung des Volkes auszeichnet: einen hohen, kräftigen Wuchs, ebenmäßige Züge, einen starken Schwertarm und eine volltönende Stimme.
    Das ist deshalb wichtig, weil der König, der zu dieser Zeit noch auf dem Thron saß, all diesen Erwartungen nicht mehr gerecht wurde: Gubbe der Schlohbart war vom Alter gebeugt, seine Brust eingefallen und sein Gesicht faltig wie ein fleckiges, zerknittertes Betttuch. Und von ähnlicher Farbe noch dazu. Er konnte froh sein, wenn er an guten Tagen noch den Löffel für seinen Brei in den zittrigen Fingern halten konnte, und seine Worte kamen ihm nur als flüsterndes Krächzen über die Lippen.
    Fünf wandte sich an Arvid, und ich bin mir sicher, dass er die jämmerliche Erscheinung Gubbes als Schande für das gesamte Reich darstellte. Und er verwies ebenso sicher darauf, was das Reich erwarten würde, sollte es an einen der beiden Prinzen fallen. Der eine war so hell wie sieben Schoppen dunkles Bier und zudem selbst schon beinahe ein Greis. Dem anderen war noch kaum ein Haar am Beutel gewachsen, und er trat selten in der Öffentlichkeit auf, und wenn, dann nur mit einer silbernen Maske, weil sein Gaumen bis in den Rachen hinab gespalten war. Ohne die Maske, so hatte man es hinter vorgehaltener Hand von seinen Kammerdienern gehört, bot er einen Anblick, der Mitleid und Schrecken zu gleichen Teilen erregte. Wie ein Kätzchen, dem die Augen fehlen und das man besser gleich ersäuft, ehe es sich lange quält.
    Ich habe nie erfahren, was Fünf Arvid für seine Unterstützung versprochen hat. Unter Umständen den Posten, den Fünf selbst innehatte. Er war der Lieblingsneffe König Gubbes, und der Alte hatte ihn zu seinem Haus- und Hofmeister ernannt. Eine wichtige Rolle, zu der unter anderem der Oberbefehl über die königliche Leibgarde und der Vorstand über sämtliche Palastkämmerer gehörten. Nichts, was in den ehrwürdigen Hallen und Gängen gesagt, geflüstert oder auch nur gedacht wurde, blieb Fünf verborgen. Gubbe konnte es wohl nicht ahnen, doch er hatte den uralten Fehler eines Herrschers begangen, eine Natter an seinem Busen zu nähren.
    Wie dem auch sei, Fünf hatte bereits zwei Helfershelfer, und wahrscheinlich hat er Arvid auch damit geködert, dass der Plan nicht nur auf vier, sondern gleich auf acht Schultern ruhen würde. Fünf hatte ein gutes Händchen bei der Auswahl seiner Mitverschwörer.
    Elf war der Mann fürs Grobe. Einer von der Sorte, die sich eigens daran erinnern

Weitere Kostenlose Bücher