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Heldenwinter

Heldenwinter

Titel: Heldenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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vor und um das Feuer herum, um Dalarr die Weinflasche abzunehmen und sie Namakan in die Hand zu drücken. »Hier. Und jetzt noch ein Ratschlag: Nicht jede nackte Haut, die dort draußen auf dich wartet, solltest du auch anfassen. Die Schlammspringer beispielsweise fressen so viele Ätzkröten, dass ihre eigene Haut giftig wird. Wenn man mit ihnen Handel treibt, muss man alle seine Sinne beisammen haben. Am besten trägt man Handschuhe, und wenn man keine hat, legt man ein Tuch auf den Boden, auf das diese Leute aus dem Sumpf ihr Tauschgut legen können. Wenn man später vergisst, alles ordentlich abzuwaschen, frisst sich der Kram durch jeden Rucksack und durch jede Kiepe. Ich weiß, wovon ich rede.« Er stemmte sich auf die Knie und wandte Namakan sein Hinterteil zu. Er zog seine gefütterte Öltuchjacke ein Stück hoch und seine Hosen ein wenig herunter. Eine Handbreit über der Ritze zwischen seinen haarigen Backen prangten blasse Narben. Sie sahen aus, als hätte ihm jemand mit der Spitze eines glühenden Eisens vier oder fünf dünne Striche in den Speck gebrannt. »Das ist von einer Schilfrohrflöte. Hat sich mir nichts, dir nichts durch meine Kiepe gefressen, dieses Biest.«
    Namakan kniff die Augen zusammen und trank einen Schluck Wein, der ihm angenehm warm die Kehle hinunterprickelte.
    »Eine Schilfrohrflöte. So, so«, brummte Dalarr heiter. »Könnte aber doch genauso gut ein Brandmal sein wie das, mit dem die Kinder des Gestreiften Panthers aus dem Wispernden Dschungel betrügerische Kaufleute strafen, die versuchen, sie übers Ohr zu hauen, was?«
    »Erzähl doch keine albernen Geschichten.« Wikowar beeilte sich, seine Kleidung wieder zu ordnen. »Was würde das denn nutzen, einen Betrüger ausgerechnet an einer Stelle zu zeichnen, die kaum jemand je zu Gesicht bekommt?«
    »Die Völker aus dem Wispernden Dschungel pflegen ihre wichtigen Verhandlungen splitternackt zu führen, um sichergehen zu können, dass ihr Gegenüber keine Waffen am Leib, sondern höchstens noch im Leib trägt. Da ist der Hintern doch eine ganz ausgezeichnete Stelle, um einen Betrüger zu zeichnen, findest du nicht?« Dalarr bedachte den Händler mit einem Blick, in dem beinahe so etwas wie Anerkennung lag. »Bist du tatsächlich so weit nach Südosten gereist, dass du die feurigen Krallen der Pantherkinder zu spüren bekommen hast?«
    »Noch viel weiter«, brüstete sich Wikowar. Über seine Augen legte sich ein Glanz, den selbst das Feuer und der Wein nicht ganz erklären konnten. »Sogar bis zu den Beinernen Zitadellen an den Hängen des Weltenwalls bin ich gekommen. Ich habe den Rauch der Schwarzen Sternenblüte geatmet, durch den der Geist die Pforten von Raum und Zeit durchschreiten kann. Ich habe die Morgenröte allen Werdens und Vergehens gesehen und einen Blick auf das Ende aller Tage erhascht, bei dem jeder und alles in der Welt für immer stillstehen wird. Der Moment, in dem alle Farben und Töne eins werden in einem graubunten Entstummen.«
    Namakan schwirrte der Kopf. Graubuntes Entstummen? Morgenröte? Das ist doch Firlefanz!
    »Ein passabler Rausch, wohl wahr.« Dalarr schaute zu den Sternen auf. »Auch wenn ich Mutterkorn und Stechapfel jederzeit vorziehen würde. Da läuft man nicht Gefahr, dass etwas Ekliges aus den Fugen und Nähten der Existenz hervorquillt und einem im Schädel haften bleibt.«
    »Ich halte mich eben an die Lehren der Bitterreichen Händler.« Wikowar hob die Hände wie zu einem Gebet. »Was willst du? Alles. Und wie viel? Mehr. Bis alle Gier gestillt und Gold wie Staub für mich ist.«
    »Wer sind die Bitterreichen Händler?«, fragte Namakan. Lodaja hatte recht. Wie hat sie immer gesagt: Die Welt dort draußen ist ein Tollhaus, in dem die Irren den Unsinn zum Sinn erklären.
    »Die Bitterreichen Händler? Ein freudloses Pack, das in goldenen Hallen sitzt und von goldenen Tellern isst, die ihnen von Dienern in goldenen Gewändern aufgetragen werden!«, sagte Dalarr und winkte ab. »Sie wischen sich den Hintern mit Juwelen ab und waschen sich mit der Milch der edelsten Stuten, deren Fohlen sie vorher mit seidenen Tüchern erdrosseln lassen.«
    »Freudlos?« Wikowar holte tief Luft und blies sich auf wie ein zorniger Frosch. »Das kann ich nicht auf mir sitzen lassen. Hör zu, Junge!«
    Dann hob er in einer erstaunlich klaren und angesichts seiner Leibesfülle nicht minder bemerkenswert hellen Stimme zu einer simplen Melodie an:
     
    »Händler sind die schlausten Lügner der Welt:
    Wir sind

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