Heldenwinter
müssen, die Hose herunterzulassen, bevor sie sich auf den Abort setzen. Aber trotzdem – oder gerade deshalb – ein Kerl, dem Skrupel so fremd waren wie einer Hure die Keuschheit. Er war riesig und hätte einen Bullen mit nur einer Hand erwürgen können. Fünf schlüpfte in ihn wie in einen Handschuh, wenn es jemanden einzuschüchtern oder zu ermorden galt.
Zwanzig wiederum war eine Ausgeburt an selbstverliebter Eitelkeit. Verglichen mit ihm hätten Pfauen durch die Lande ziehen und Lektionen in Demut erteilen können. Er war gewiss überzeugt davon, dass seine Scheiße nach Rosen duftete und sein Gondull jederzeit einen gefrorenen Acker umpflügen konnte. Es würde mich nicht wundern, wenn Zwanzig insgeheim beabsichtigte, die anderen übers Ohr zu hauen und seinen schmalen Hintern selbst auf das Thronkissen zu manövrieren. Dabei hatte er allerdings die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Zugegeben, trotz seiner äffischen Art hatte er ein gewinnendes Wesen, und es fiel jedem schwer, ihm einen Wunsch abzuschlagen, sobald Zwanzig einem erst einmal vorgegaukelt hatte, er wäre der beste Freund, den man sich wünschen kann.
Das war die Zelle, der sich Arvid anschloss. Das hört sich an, als wäre er bereits damals ein blutrünstiges, machtversessenes Ungeheuer gewesen, doch dem war nicht so. Ich bilde mir lieber ein, dass er nicht nur aus eigenen Stücken handelte.
Das Volk litt unter Gubbe dem Schlohbart und seinen Günstlingen, daran gab es nicht den geringsten Zweifel. Der alte Furz bekam wohl nur noch die Hälfte davon mit, wie sein Land um ihn herum im Elend versank. Dass die Pferde in seinen Stallungen nur mit dem besten Korn gefüttert wurden, während die Bauern nicht einmal mehr genug übrig hatten, um Brot für sich und ihre Familien zu backen. Dass es mehr als einen verrohten Höfling gab, der sich Kinder von der Straße stehlen ließ, um an ihnen seinen dunklen Lüsten zu frönen. Dass seine Feldherren in der Hauptstadt protzige Paraden veranstalteten, während in den Grenzprovinzen des Reichs Feinde von allen Seiten unzählige Städte und Dörfer schleifen ließen. Fünf hatte guten Grund, gegen die herrschenden Zustände aufzubegehren.
Es war dieses Netz – geknüpft aus ehrlicher Empörung und gerechtem Zorn –, das Arvid seinerseits auswarf, um sich einen Verbündeten darin zu fangen: Waldur. Wenigstens möchte ich glauben, dass mein Freund sich nicht von Beginn an wissentlich zum Handlanger eines späteren Despoten erniedrigte. Denn wenn es anders wäre, müsste ich mich in meine eigene Klinge stürzen, weil ich Waldur jemals meinen Freund nannte.
Sei’s drum. Waldur schwor jedenfalls Arvid und nur Arvid die Treue, und auch das ist wichtig: Waldur setzte seine Fähigkeiten nur zu Arvids Gunsten ein, und das sollte Fünf und den Rest der Bande noch teuer zu stehen kommen. Ich kann mir vorstellen, wie sie darüber jubelten, jemanden wie Waldur an ihrer Seite zu wissen. Gubbe würde nicht der erste Herrscher sein, an dessen Thronverlust Waldur gehörigen Anteil hatte. Er brachte da einiges an Erfahrung aus aller Herren Länder mit. So war er nun einmal. Manchmal denke ich, Waldur fand einfach Gefallen daran, Schicksal zu spielen, und welcher Einsatz in diesem Spiel hätte größer und aufregender sein können als ganze Königreiche?
Schlimmer noch: Waldur wiederum kannte einen Holzkopf, der töricht genug war, sich ebenfalls vor Arvids Karren spannen zu lassen. Einen Holzkopf, der Waldur in Wagemut und Kampfgeschick in nichts nachstand. Dieser Holzkopf verspürte gerade das unstillbare Verlangen, einer anderen Seele zu beweisen, wie viel ihm am Wohlergehen der gesamten Welt lag. Und um zu erkennen, dass die Welt ohne Gubbe ein besserer Ort sein würde, dazu brauchte es nicht gerade einen übermäßig scharfen Verstand. Für etwas anderes hätte es jedoch genau dieses scharfen Verstands bedurft – nämlich dafür, zu begreifen, worin die Beseitigung Gubbes letztlich münden würde.
Die Verschwörer begannen, ihr blutiges Vorhaben in die Tat umzusetzen. Man darf sich das jedoch nicht als ruhmreiche Schlacht vorstellen. Nicht einmal als eine einzige Nacht der langen Messer, nach der die Sonne über einem von Grund auf veränderten Reich aufging. Sie verhielten sich eher wie ein Rudel Wölfe, das aus einer Schafherde nach und nach die schwachen und kranken Tiere aussondert, eines nach dem anderen. Von außen betrachtet wirkte alles wie eine unglückliche Verkettung trauriger Ereignisse.
Da war
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