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Heldenzorn: Roman (German Edition)

Heldenzorn: Roman (German Edition)

Titel: Heldenzorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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eben noch kein Felsvorsprung gewesen war.
    Das schwarz geschuppte Wesen hatte einen massigen Kopf, der allein ungefähr so groß wie eine ganze Rüsselschnauze war. Er war ähnlich lang gezogen, wenn auch nicht ganz so spitz wie der einer der Echsen, auf denen die Harten Menschen ritten. Zudem hatten die Flugechsen keine geschwungenen Hörner, die ihnen aus dem Schädel wuchsen, und auch nicht Reihe um Reihe Zähne im Kiefer – menschenlange spitze Stäbe, dicht an dicht wie die Palisaden um eine Arx auf der Steppe. Hörner und Zähne waren aus Glas, aber Teriasch ging nicht davon aus, dass sie sonderlich zerbrechlich waren. Das Wesen besaß den Kopf eines Raubtiers, und Teriasch wusste von keinem Räuber, dessen Zähne zersplitterten, wenn er sie ins Fleisch seiner Beute schlug.
    Trotzdem spürte er keine Angst. Bis auf den Kopf war nämlich der gesamte restliche Leib des Wesens von einem absonderlichen Material überwuchert und schloss ihn regelrecht ein. Die Oberfläche besaß die Beschaffenheit von frischem Schorf, war jedoch von einem Gelbton, der Teriasch merkwürdig vertraut vorkam. Außerdem stank das Material bestialisch, und ihm drängte sich eine unangenehme Vorstellung auf: Was, wenn dieses echsenartige Wesen in einem getrockneten Eiterklumpen feststeckte, der einem zweiten, noch viel größeren Wesen aus einer schwärenden Wunde getropft war?
    »Wer bist du?«, kam die Frage ein drittes Mal, und Teriasch konnte im Maul des Wesens eine gespaltene Zunge sehen, die den Wind dazu anpeitschte, Worte zu formen.
    Teriasch hatte sein Leben lang Demut vor den Geistern gezeigt, wie Pukemasu es ihm eingebläut hatte. Und was hat es mir genützt? Es ist mir gleich, ob ich in seinem Traum bin oder er in meinem . Wir sind beide im selben Traum, also gehört er auch uns beiden und er hat mir gar nichts zu befehlen. »Vielleicht verrate ich dir, wer ich bin, wenn du mir erst verrätst, wer du bist.«
    In den blauen Augen des Geschöpfs zogen sich die geschlitzten Pupillen zu winzigen Spalten zusammen. »Du bist dreist, Menschlein.«
    »Mag sein.« Teriasch schlug sich mit dem Keulenknauf gegen die Brustzier aus Hengstzähnen und Geierklauen, denn hier hatte er seine Keule und seine Kleider zurück, die er in der wachen Welt an der Schwitzhütte verloren hatte. »Ich nenne es tapfer.«
    Das Wesen lachte – ein hoher, pfeifender Laut, wie er entstand, wenn sich Wind durch enge Ritzen zwängte. »Ich beginne zu verstehen, wie du dem Kala Hantumanas die Stirn bietest. Er wird nicht viel Freude an dir haben. Zumindest weniger als an mir. Gut so.« Es hob den Kopf so weit, wie es das verkrustete Material um seinen Hals es zuließ. »Ich bin Ziyamapaksa«, sagte es stolz.
    Teriasch zuckte mit den Schultern. »Ich habe diesen Namen noch nie gehört.«
    »Noch nie?« Der Kopf des Wesens sackte nach unten. »Und Schwarzschwinge? Wie ist es damit?«
    »Tut mir leid«, sagte Teriasch. »Nie gehört.«
    Schwarzschwinge ächzte. »Ihr Menschen habt so viel vergessen. Wer wir sind, wo ihr herkommt, wohin wir gegangen sind, was ihr uns alles versprochen habt. Warum konnte der, der mich gefangen hat, das nicht auch alles vergessen?«
    »Was bist du? Und wer war es, der dich gefangen hat?«
    »Wolltest du mir nicht erst sagen, wer du bist?«
    »Ich bin Teriasch von den Schwarzen Pfeilen.«
    »Ich habe diesen Namen noch nie gehört«, sagte Schwarzschwinge nicht ohne Genugtuung. »Und wenn der Kala Hantumanas und seine widerlichen Absonderungen nicht wären, würdest du mich nicht fragen, was ich bin. So viel könnt ihr Menschen dann doch nicht vergessen haben. Ich bin ein Drache.«
    »Wo sind deine Flügel?«, fragte Teriasch misstrauisch.
    Schwarzschwinge schielte zu dem ekligen Schorf, unter dem er begraben war. »Hier drunter natürlich, wo sonst? Denkst du, ich hätte sie verlegt?« Er schaute wieder zu Teriasch. »Könntest du ein paar Schritte näher kommen, damit ich dich besser sehen kann?«
    Teriasch grinste. »Eine weise alte Frau hat mir beigebracht, dass Drachen missmutige Geister sind, denen man nur mit Vorsicht begegnen sollte, wenn man nicht in ihrem Bauch landen will.«
    »Zwei Dinge«, schnaubte Schwarzschwinge. »Erstens sind wir keine Geister, und zweitens ist das hier nur ein Traum. Angenommen, ich würde dich fressen wollen, was sollte dir in meinem Bauch schon geschehen?«
    »Ist das mein Traum oder dein Traum?«, wollte Teriasch wissen.
    »Macht das einen Unterschied? Aber ich würde sagen, es ist meiner, weil

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