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Heldin wider Willen

Heldin wider Willen

Titel: Heldin wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Moon
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Diese Uniform …«
    »Und sie haben dich angelogen!« Jetzt blitzte Serrano-Zorn aus seinen Augen. »Sie haben dich darüber belogen?«
    Esmay wedelte mit der Hand, eine Geste, die ihre Familie verstanden hätte. »Sie hielten es für das Beste – sie glaubten, mich dadurch zu schützen.«
    »Es war nicht… es war niemand aus deiner Familie?«
    »Nein.« Sie sagte es mit Entschiedenheit, obwohl sie sich nach wie vor nicht sicher war. Hatte es nur diesen einen Angreifer gegeben? Sie war noch so jung gewesen … Onkel und ältere Vettern von ihr hatten in jener Armee gedient, und einige von ihnen waren umgekommen. Das Erinnerungsbuch der 586
    Familie sprach von »im Kampf gefallen«, aber Esmay wusste inzwischen ganz genau, dass Aufzeichnungen und Wirklichkeit nicht dasselbe waren.
    »Aber du … hast weitergemacht.« Barin sah sie jetzt direkt an. »Du warst stark. Du hast nicht…«
    »Ich habe geweint.« Sie bekam das nur mühsam heraus. »Ich habe geweint, eine Nacht nach der anderen. Die Träume … man hat mich in ein Zimmer ganz oben im Haus gesteckt, am Ende des Flurs, weil ich die anderen weckte, indem ich um mich schlug. Ich hatte vor allem Angst und fürchtete mich auch vor der Angst. Falls sie gewusst hätten, wie verängstigt ich war, dann hätten sie mich verachtet… Sie waren allesamt Helden, verstehst du? Mein Vater, meine Onkel, meine Vettern, sogar meine Tante Sanni. Papa Stefan konnte mit Heulsusen nichts anfangen – ich konnte in seiner Gegenwart einfach nicht weinen.
    Vergiss die Geschichte, wurde mir gesagt. Was vorbei ist, ist vorbei…«
    »Aber sicherlich wussten sie doch … Selbst ich weiß von
    meiner Pflegefamilie, dass Kinder Erlebnisse nicht einfach so vergessen.«
    »Auf Altiplano vergisst man. Oder man geht fort.« Esmay
    holte tief Luft und bemühte sich, mit ruhiger Stimme zu
    sprechen. »Ich bin fortgegangen. Was für die anderen eine Erleichterung war, weil ich immer ein Problem für sie darstellte.«
    »Ich kann nicht glauben, dass du ein Problem gewesen sein sollst…«
    »O doch! Eine Suiza-Frau, die nicht ritt? Die sich nicht mit Pferdezucht befasste? Die nicht mit jungen Männern der 587
    richtigen Sorte flirtete? Meine arme Stiefmutter hat Jahre auf den Versuch verwandt, aus mir ein normales Mädchen zu machen. Und nichts hat funktioniert.«
    »Aber… Du hast es geschafft und wurdest ins Programm der Flotten-Vorbereitungsschule aufgenommen. Du musst dich sehr gut erholt haben. Was haben die Psycholeute gesagt? Haben sie dir irgendeine zusätzliche Therapie angeboten?«
    Esmay wich der Frage aus. »Ich hatte mir auf Altiplano
    Psychotests durchgelesen – eine Therapie konnte man dort nicht erhalten. Und schließlich habe ich die Examen bestanden.«
    »Ich kann nicht glauben …«
    »Ich habe es einfach geschafft!«, sagte sie scharf. Er zuckte zusammen, und ihr wurde klar, wie er es vielleicht verstanden hatte. »Bei dir ist es etwas anderes.«
    »Nein … Ich bin ein erwachsener Mann, angeblich jedenfalls.« Die Bitterkeit schwang jetzt wieder in seinem Ton mit.
    »Du bist es. Und du hast getan, was du konntest… es war
    nicht deine Schuld.«
    »Aber ein Serrano sollte eigentlich …«
    »Du warst ein Gefangener. Du konntest keine Entscheidungen treffen, außer zu überleben oder zu sterben. Denkst du, ich hätte mich nie mit dem Spruch gequält: ›Eine Suiza sollte eigentlich … ‹? Natürlich habe ich das! Aber es hilft nicht. Und es spielt keine Rolle, was du getan hast… ob du deinen Darminhalt hergegeben hast…«
    »Das habe ich«, sagte Barin leise.
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    »Na und? Es ist dein Körper … wenn er sich übergeben
    möchte, wird er es tun. Falls er etwas verlieren möchte, wird er es tun. Du kannst es nicht verhindern.« Sie spürte, dass diese Worte nicht weniger an sie selbst gerichtet waren als an Barin –um dem Selbst, das sich so lange gegrämt hatte, die Worte zu sagen, die es brauchte.
    »Wäre ich tapferer gewesen …«, kam es noch leiser.
    »Hätte die Tapferkeit verhindert, dass sie dir die Knochen brechen? Dein Blut vergießen?«
    »Das ist etwas anderes … etwas Körperliches …«
    »Und Kotzen nicht?« Sie konnte sich wieder bewegen und
    trat näher ans Bett heran. »Du weißt, dass man mit den richtigen Chemikalien jeden zum Kotzen bringen kann. Dein Körper produziert Chemikalien, und du brichst. A führt zu B, das ist alles.«
    Er bewegte sich unruhig und wandte den Blick von ihr ab.
    »Irgendwie kann ich mir meine Großmutter, den Admiral,

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