Heldin wider Willen
wird. Soll ich drüben anrufen und in Erfahrung bringen, wann sie Sie aufnehmen können?«
»Ich… danke, Major, aber ich denke, ich sollte das selbst tun.«
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»Sie brauchen nicht alles auf die harte Tour anzugehen,
Suiza«, sagte Pitak, aber es war ohne jeden Stachel.
Es erwies sich als absurd einfach, einen Termin zu erhalten.
Die Sprechstundenhilfe fragte nicht mal nach Einzelheiten, als Esmay sagte, sie wollte einen Termin für eine psychologische Beratung; die einzige Nachfrage galt der Dringlichkeit. War es dringlich? Sie konnte die ganze Sache hinausschieben, indem sie das verneinte … aber die Sache hinauszuschieben, das hatte bislang auch nicht geholfen.
»Es ist kein Notfall«, sagte sie schließlich. »Aber … es …
wirkt sich auf meinen Dienst aus.«
»Einen Augenblick.« Natürlich war man hier beschäftigt,
sagte sich Esmay. Barin war nicht der Einzige, der nach den kürzlichen Geschehnissen dringend Hilfe brauchte. Alle, die Gefangene gewesen waren, vermutete Esmay, und einige, die vielleicht zu viel Tod gesehen hatten, zu viel Schmerz.
Eine weitere Stimme meldete sich in ihrem Kopfhörer.
»Lieutenant Suiza, hier spricht Annie Merinha. Ich brauche nur ein paar Informationen, um sie bei dem Berater unterzubringen, der Ihnen am besten helfen kann.«
Esmay wurde der Hals eng; sie brachte kein Wort hervor und wartete auf die Fragen, als wären es Hiebe.
»Hat es nur mit den jüngsten Ereignissen zu tun, oder geht es um etwas anderes?«
»Etwas anderes«, sagte Esmay heiser.
»Ich weiß, dass Sie an Bord der Despite eine schwierige Situation erlebt und anschließend keine psychologische Betreuung erfahren haben – hat es damit zu tun?«
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Sie konnte das bejahen und damit die Wahrheit sagen … aber nicht die ganze Wahrheit. Sicherlich konnte sie ihnen den Rest später noch erzählen … aber mit Lügen hatte die ganze Geschichte angefangen, und sie wollte sie hinter sich bringen.
»Zum Teil«, antwortete sie. »Da sind … es ist alles mit…
anderen Dingen vermischt.«
»Aus der Zeit vor Ihrem Eintritt in den Regulär Space
Service?«
»Ja.«
»In Ihrer Akte ist dahingehend nichts …«
»Nein, ich … bitte, ich kann es nicht… so erklären.«
»Sicher.« Eine Pause trat ein, in deren Verlauf sich Esmay verhängnisvolle Prüfzeichen auf einer Wäscheliste geistiger Störungen ausmalte, die sie für immer von allem ausschließen würde, was sie tun wollte. »Ich kann Sie heute um vierzehn Uhr empfangen. T-5, Deck sieben, dort den Schildern zur
psychologischen Beratungsstation folgen und die Sprechstundenhilfe fragen. Sie stehen auf der Patientenliste. In Ordnung?«
Es war nicht in Ordnung; sie brauchte mehr Zeit, um sich darauf vorzubereiten … aber sie konnte sich andererseits kaum darüber beklagen, dass man ihr so rasch half.
»Das ist prima«, sagte sie. »Danke.«
»Sie brauchen etwa zwei Stunden dafür. Ihre restlichen Sitzungen vereinbaren wir, sobald wir uns gesprochen haben.«
»Danke«, wiederholte Esmay.
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Sie blickte auf die Uhr. 10 Uhr 30. So viel Zeit blieb ihr noch, um weiter so zu leben wie bisher, wie immer das einzuschätzen war. Sie hatte das Gefühl, dass Unheil über ihr hereinbrach. Sie ging zu Major Pitak, um ihr mitzuteilen, dass sie für mehrere Stunden fehlen würde.
»Das ist schön. Bis dahin möchte ich, dass Sie mit mir zu Mittag essen.«
Esmays Magen rebellierte. »Major … Ich habe eigentlich keinen Hunger.«
»Stimmt, aber Sie sind auch völlig verspannt. Ich habe gar nicht vor zu fragen, woran das liegt, da Sie jetzt ohnehin Hilfe erhalten werden, aber ich werde genauso wenig zulassen, dass Sie ganz für sich allein Trübsal blasen. Suppe und Salat… Sie brauchen etwas, ehe Sie dort hinübergehen und Ihr Innerstes offenbaren. Das wird anstrengend sein.«
Während des Essens versorgte Pitak sie mit einer Serie von Anekdoten, die im Grunde keine Reaktion von Esmay verlangten. Esmay aß wenig, war aber dankbar für die Für-sorglichkeit.
»Lieutenant Suiza.« Der Sprechenstundenhelfer lächelte sie an.
»Ich weiß, dass Sie mich nicht kennen, aber – wir alle möchten Ihnen für das danken, was Sie getan haben. Ich war die ganze Zeit bewusstlos und hatte Träume, an die ich mich nicht mal erinnere, und war für niemanden etwas nütze. Ohne Sie …«
»Und eine Menge andere«, sagte Esmay und nahm die Akte entgegen, die er ihr reichte.
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»Oh, sicher, aber alle wissen, dass Sie das Schiff der Bluthorde übernommen
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