Heldin wider Willen
Esmay ein. »Ich
wurde darauf hingewiesen, wie schwierig es Außenstehende finden, auf höheren Kommandopositionen der Flotte erfolgreich zu sein.«
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»Bring so viele Einwände vor, wie du möchtest«, sagte Barin und zog sich in eine Sitzhaltung hoch. Diesmal zuckte er nicht zusammen. »Ich sage trotzdem, wie es auch Großmutter tat, dass du etwas versteckt hast – etwas, das dich daran hinderte, deine wirklichen Fähigkeiten zu zeigen.«
»Naja, es ist jetzt nicht mehr versteckt«, sagte Esmay. »Ich habe dieses Schiff befehligt… eigentlich inzwischen zwei.«
»Das habe ich nicht gemeint.«
»Ich habe es dir schon gesagt«, entgegnete sie. »Meine
Fähigkeiten sind nicht mehr versteckt.«
»Ich bin kein Psychofritze. Denkst du, es wäre ausreichend für mich gewesen, dir von meinen Erlebnissen zu erzählen?«
Ungeachtet seines Versuchs, sie zu überreden, hörte sie das versteckte Flehen heraus: Er hoffte auf ihre Zustimmung, dass er zu niemandem sonst darüber zu sprechen brauchte.
»Nein.« Sie holte rasch Luft und fuhr eilig fort: »Sie wissen schon davon; du musst mit ihnen reden. Und sie werden dir helfen, da bin ich sicher.«
»So sicher, dass du selbst auch mit ihnen redest?«
»Ich?«
»Tu es nicht.« Er lehnte sich in die Kissen zurück. »Treib keine Spiele mit mir … du weißt selbst, dass du noch nicht geheilt bist. Du weißt, dass du nach wie vor Hilfe brauchst.«
»Ich … sie werden mich hinauswerfen … Eine Meuterin, die obendrein noch verheimlicht hat, dass sie mal verrückt war…
sie schicken mich zurück …« Erst nachdem diese Worte
gesprochen waren, fiel ihr auf, dass Altiplano inzwischen
»zurück« bedeutete, nicht »nach Hause«.
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»Das tun sie nicht. Großmutter lässt es nicht zu.«
Die schiere Serrano-Arroganz dieser Äußerung raubte ihr den Atem; sie lachte, ehe sie nachdachte. »Deine Großmutter lenkt nicht alles und jeden in der Flotte!«
»Nein … ich denke, das tut sie nicht. Aber es kann nicht schaden, wenn man sie auf seiner Seite hat, was bei dir der Fall ist. Sie wird nicht hinnehmen, dass sie einen Offizier verliert, den sie für brillant hält.« Er wurde ernst. »Und … falls du mit denen über dein Problem reden würdest… Ich kenne sonst niemanden, der schon mal… der jemals …«
»Du wünschst dir einen Partner. Möchtest du mir das sagen?«
Er nickte wortlos. Sein Gesicht verriet deutlich die Mühe, die es ihn kostete, sich lange genug aus dem Sumpf des eigenen Schmerzes herauszuziehen, um Esmays Herz zu erreichen.
Ihr Herz klopfte; ihr Atem ging schnell. Konnte sie?
»Du hast es mir schon gesagt«, setzte er dann hinzu. »Es ist ja nicht so, als wäre es für dich das erste Mal.«
Wenn du auf dem Boden aufprallst, hatte Papa Stefan immer gesagt, ist es zu spät, sich davor zu fürchten, dass du aus dem Sattel geworfen wirst. Du hast das Schlimmste schon überlebt…
Jetzt brauchst du nur noch das Pferd einzufangen und wieder aufzusteigen.
»Ich habe das Pferd wieder eingefangen«, sagte Esmay und lachte beinahe über Barins Verwirrung. »In Ordnung«, ergänzte sie, wohl wissend, dass die Panik zurückkehren würde, aber in diesem Augenblick dazu fähig, sich der Erinnerung zu stellen.
»Ich rede mit ihnen – aber du musst auch kooperieren. Ich wünsche mir einen Serrano-Verbündeten, der mir altersmäßig 594
näher steht als deine schätzenswerte Großmutter oder deine wilde Kusine. Ist das eine Abmachung?«
»Ja. Auch wenn ich nicht ganz sicher bin, ob du der richtigen Verwandten das richtige Adjektiv zugewiesen hast.«
Major Pitak blickte auf, als Esmay aus der Krankenstation zurückkehrte. »Wie geht es dem Jungen?«
»Mitgenommen, aber auf dem Weg der Besserung. Er muss
die Psychoberater aufsuchen, sagt er.«
»So ist es üblich«, stellte Pitak fest. »Macht ihm das Kummer?«
»Nicht mehr, als es jedem machen würde«, sagte Esmay und raffte ihren Mut von neuem zusammen. »Major … ehe das alles passiert ist, sagten Sie einmal, ich sollte mich vielleicht lieber an die Psycholeute wenden … wegen der Erlebnisse auf der Despite.«
»Macht Ihnen das nach wie vor zu schaffen?«
»Nicht… nur das. Ich weiß, dass wir knapp an Personal sind, aber – ich würde es jetzt gern tun.«
Pitak musterte sie ausgiebig und gleichmäßig. »Gut. Bringen Sie in Erfahrung, wie lange es dauern wird, und sagen Sie es mir. Sie stehen derzeit bei genügend Leuten in großer Gunst, dass niemand Ihnen Hilfe missgönnen
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