Heldin wider Willen
klang es allerdings eher nach einem Fluch als einem Gruß. »Wie ich gehört habe, hält man Sie auf Altiplano für eine Heldin.«
Eindeutig ein Fluch. Der Unterschied zwischen auf Altiplano und hier in der wirklichen Welt hätte in roten Lettern weniger auffällig gewirkt.
»Lokales Interesse, Sir«, sagte Esmay. »Mehr nicht.« »Ich freue mich, dass Ihnen das klar ist«, sagte Captain Hakin. Er blickte plötzlich auf, als hoffte er, sie dabei zu ertappen, wie sie irgendeinen belastenden Ausdruck zeigte. Esmay erwiderte seinen Blick ruhig. Sie hatte mit Nachwirkungen der
Verleihungszeremonie gerechnet; das war nur natürlich. Sein Blick zuckte kurz zu ihrer Uniform hinunter, wo das silberne 207
und goldene Band nicht an der Stelle prangte, die sonst Auszeichnungen von außerhalb der Flotte aufnahm. Per Gesetz durfte Esmay bedeutende Auszeichnungen jedes politischen Systems innerhalb der Regierenden Familias tragen; per Brauch tat das niemand, außer bei einem diplomatischen Einsatz, bei dem es den Verleiher hätte beleidigen können, wenn eine von ihm verliehene Auszeichnung nicht getragen wurde. Speziell Subalternoffiziere trugen keine persönlichen Auszeichnungen, außer in voller Galauniform. Und so trug Esmay lediglich die S&S, die Schiffs-und-Service-Bänder ihres letzten Postens, einschließlich der beiden Auszeichnungen, die die Besatzung der Despite nach dem letzten Gefecht erhalten hatte –dazu unpassenderweise den Schiffseffizienzpreis, den Esmay unter der verstorbenen Kommandantin Hearne erhalten hatte. Eine Verräterin mochte Hearne ja gewesen sein, aber ihr Schiff hatte in seinem Sektor bei den Untersuchungen des
Generalinspekteurs den ersten Platz belegt.
»Ja, Sir«, sagte Esmay, als sein Blick wieder nach oben
zuckte und ihrem begegnete.
»Manche Kapitäne würden sich Sorgen machen, wenn sie
einen Subalternoffizier bekämen, der in eine Meuterei
verwickelt war, egal wie … ah … berechtigt sich die Aktion später darstellt.«
»Ich bin sicher, dass das so ist«, sagte Esmay gelassen. Mit derlei Dingen musste sie schon ihr ganzes Leben lang umgehen.
»Es muss Offiziere geben, die besorgt bleiben, selbst wenn ein Gericht die Sache detailliert untersucht hat. Ich kann dem Captain versichern, dass ich auf solche Besorgnisse nicht überreagieren werde, sollte irgendjemand sie zum Ausdruck bringen.«
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Hakin starrte sie an. Was hatte er denn erwartet? Dass sie rot wurde, ein großes Geschrei machte, sich zu rechtfertigen versuchte? Sie hatte vor Gericht gestanden; man hatte sie in allen Anklagepunkten für unschuldig befunden; sie brauchte nichts weiter zu tun, als ihre Unschuld auszuleben.
»Sie wirken sehr selbstsicher, Lieutenant«, sagte Hakin
schließlich. »Woher wollen Sie wissen, dass ich nicht jemand bin, der solche Sorgen hat?«
Idiot!, dachte Esmay. Seine Entschlossenheit, sie zu sticheln, hatte seinen gesunden Menschenverstand überwunden. Keine Antwort, die sie gab, hätte die von ihm aufgebaute Spannung wieder ganz auflösen können. Sie entschied sich zur Offenheit.
»Ist der Captain besorgt?«
Ein langer Seufzer lief durch gespitzte Lippen. »Über vieles, Lieutenant, wovon Ihr Potenzial zu meutern nur ein winziger Teil ist. Personen, die es angeblich wissen, haben mir allerdings versichert, dass die öffentlichen Berichte von Ihrem Verfahren vor dem Kriegsgericht tatsächlich zutreffen … dass keinerlei Verdacht besteht, Sie hätten sich zu einer Meuterei
verschworen, ehe Ihre Kommandantin verräterisch handelte.« Er wartete; Esmay fiel nichts Hilfreiches ein, und so schwieg sie.
»Ich erwarte Loyalität von Ihnen, Lieutenant.«
»Ja, Sir«, sagte Esmay. So viel konnte sie ruhig sagen.
»Und hegen Sie keine entsprechende Besorgnis, Ihr nächster Kommandant könnte sich ebenfalls als Verräter erweisen? Ich könnte im Sold irgendeines Feindes stehen?«
Sie hatte sich geweigert, darüber nachzudenken; jetzt riss die Mühe, die es ihr bereitete, sie zu einem Ausruf hin. »Nein, Sir!
Captain Hearne muss ein untypischer Fall gewesen sein …«
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»Und die anderen auch? Sie sind glücklicher als ich, falls Sie das wirklich glauben, Lieutenant.«
Worauf wollte er denn jetzt hinaus?
»Wir hatten Ermittler auf jedem Schiff der Flotte – und das kann nur die beruhigen, die denken, dass Ermittler prinzipiell unbestechlich sind. Einen ganz schönen Schlamassel hat diese Serrano angerichtet.«
Esmay öffnete den Mund, um Heris Serrano zu verteidigen, wurde sich
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