HelHeg-AxoRoa
Idee kommt, in einem cremefarbenen Kapuzenpullover herumlaufen zu wollen, auf dem in Schwarzrotgold der Satz >Unsere Nationalfarben sind beschissen< steht. Edmond entwirft auch allen Ernstes T-Shirts, auf denen >I'm not an Alcoholic, I'm drunk - Alcoholics go to meetings!< steht. Der ist dreiundzwanzig, eine Mischung aus Marlon Brando und äh, wem denn noch, keine Ahnung, er besitzt eins der weltweit nur fünfhundertmal existierenden Paare goldener Pro Bowl 2007 Air Force 1 von Nike. Arbeitslos, demonstrativ arrogant, Fan von Ray Davis.«
If found please return to the club.
»Und du so?«
»Wie bei jeder drogenabhängigen Minderjährigen mit Reflexionsvermögen äußert sich mein Hang zur Realitätsflucht in einer ausgeprägten Lesesucht. Ic h verschlinge gleichermaßen auf geklärte Belletristik über pakistanische Psychoanalytiker und Diplomarbeiten über den Zusammenhang von Moby Dick und dem Nationalsozialismus. Tageslicht gilt es mit einer lässigen Geste abzuwinken.«
»Es freut mich ja sehr, mit dir darüber gesprochen zu haben!«
»Super, wir sehen uns!«
Ich erinnere mich an die Zeit, in der ich bei gutem Wetter etwas anderes gemacht habe als die Jalousien runter. Niedergeschlagen ziehe ich mir einen sagenumwobenen Sachtext über die Praxis der DJ-CULTURE rein:
Die Situation auf der Tanzfläche hat sich in den vergangenen knapp zwanzig Sekunden drastisch verändert. Jubel, Schreie, neue Level von Extremität überall da draußen.
»Ja, hallo, Edmond, wann kommst du denn?«
»Keine Ahnung, ich bin gerade bei Luther in dem Store in der Alten Schönhauser, und gleich kommt diese Penny, die immer PCP am Start hat.«
»Und wann kommst du wieder?«
»Das weiß ich nicht genau, jetzt sind gerade Dingsda und Kleini gekommen, du weißt schon, dieser Typ da mit der Freundin, die immer irgendwas durchsetzen will - Is it mixed by you? It's mixed like shit! Berlin is here to mix everything with everything, Alter!«
»Ist das von dir?«
»Berlin is here to mix everything with everything, Alter? Ich bediene mich überall, wo ich Inspiration finde und beflügelt werde, Mifti. Filme, Musik, Bücher, Gemälde,Wurstlyrik, Fotos, Gespräche, Träume ...«
»Straßenschilder, Wolken ...«
»... Licht und Schatten, genau, weil meine Arbeit und mein Diebstahl authentisch werden, sobald etwas meine Seele berührt. Es ist egal, woher ich die Dinge nehme, wichtig ist, wohin ich sie trage.«
»Es ist also nicht von dir?«
»Nein. Von so 'nem Blogger.«
»Aber wann kommst du denn?«
»Ja, das weiß ich halt noch nicht so genau, vielleicht bald.« »Wann denn?«
»Bald. Vielleicht auch gleich.«
»Wie jetzt?«
»Ja, gleich, sofort.«
»O. k., tschüs.«
Ich öffne unserer neuen Haushälterin die Wohnungstür, und in ihrem dümmlichen Gesicht macht sich gerade der Schock über diesen ganzen Verwahrlosungsexzess breit. Die guckt mich an, als hätte sie Angst davor, hier auf irgendwelche verwesenden Tiere zu stoßen.
»Warum willst du eine Haushälterin, Annika?«
»Weil es doch total geil ist, wenn die Bettwäsche gebügelt ist und überhaupt.«
»Aber findest du es denn nicht wahnsinnig schlimm, diese vielen Menschen in deinem Besitz zu haben?«
»Weißt du, Mifti, früher warst du einfach nur verwahrlost, und jetzt bist du halt wohlstandsverwahrlost. In zwei Monaten hast du dann vor lauter Wohlstandsverwahrlosung sogar vergessen, dass Haushälterinnen Menschen sind, ehrlich.«
Frau Messerschmidt ist pensioniert und arbeitet zwölf Stunden am Tag schwarz, weil ihr Mann ein streitsüchtiges Arschloch und halt ununterbrochen zu Hause ist. Es stellt sich die Frage, ob ich mit Personal umgehen kann, das bereits nach sechzig Minuten aufopferungsvoller Arbeit auf dem Balkon über seine familiären Zusammenhänge und meine Tendenz zur Schulverweigerung spricht. Ich will Personal, das kein Deutsch kann und mir nicht mit jedem in meine Richtung abgeschossenen Blick vergegenwärtigt, wie schrecklich alles ist, vor allem das mit dem seit zwei Jahren nicht gebügelten Ethnomusterkleid, und dass das Leben einfach nicht besser wird später. Die Bügelwäsche ist ein Kapitel für sich. Das Tageslicht ist ein Kapitel für sich.
Ich weiß komischerweise genau, was ich will: nicht erwachsen werden. Ich werde in wenigen Jahren nicht mehr genug Kraft haben, um mir ernsthafte Gedanken über die Farbe meines ersten, eigenständig gekauften Sofabezuges machen zu können. Ich werde traurig auf einen Entwicklungsprozess
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