Heliosphere 2265 - Band 4: Das Gesicht des Verrats (German Edition)
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Sol-System, 18. Februar 2266, 09:56 Uhr
Tag 17
Admiral Santana Pendergast stand in ihrem Bereitschaftsraum vor einer breiten Fläche aus transparentem Stahl und sah in die Dunkelheit des Alls. Wie gerne hätte sie einfach die Bürde ihres Kommandos weitergereicht, um auf ewig in diesem Anblick zu versinken. Stille, Weite, Friede.
Sie zwang sich, den Blick abzuwenden. Mit einer Berührung des Raumkontroll-Panels wurde der transparente Stahl wieder blickundurchlässig. Zwei kurze Schritte brachten sie zum Holo-Tank des Raumes. Als Admiralin besaß ihr Flagschiff nicht nur auf der Brücke einen der neuen Tanks, sondern auch ihr Bereitschaftsraum war entsprechend ausgerüstet.
42 Schiffe. Sie schüttelte müde den Kopf. Nur verdammte 42 Schiffe.
Tatsächlich hatten sie den Maschinenraum der TORCH zurückerobert, wobei ein Großteil des technischen Stabes getötet worden war. Alpha 225 saß in einer Rettungskapsel, die in Richtung des Systeminneren flog, wo ihn hoffentlich ein Systemtender auflesen würde. Es tat ihr leid um den loyalen Offizier, doch wenn es stimmte, was sie in den Dateien des Schattennetzes gelesen hatte, wurde bald jeder Sicherheitsoffizier zu einem unkalkulierbaren Risiko.
Was mache ich hier eigentlich?
Ich werde zur Verräterin!, gab sie sich selbst die Antwort.
Ein Teil der Schiffe war durch die internen Machtkämpfe so schwer beschädigt worden, dass sie nicht mehr manövrieren konnten, andere hatten sich zusammengeschlossen und würden zweifellos für Michalew kämpfen. Es war ihr gelungen, 41 loyale Captains um sich zu versammeln. Sie hatte ihnen über eine gerichtete Laserverbindung die Daten des Schattennetzes übertragen. Nun musste jeder Befehlshaber eines Raumschiffes der Heimatflotte selbst entscheiden.
Ein Icon auf ihrer Konsole machte sie auf eine eingehende Nachricht aufmerksam, die von außerhalb des Schiffes gesendet wurde. Vermutlich hatte einer der Captains seine Entscheidung getroffen.
Santana betätigte das Icon für die Annahme.
Auf dem Display des Schreibtischmonitors erschien ein Gesicht, das sie nicht zuordnen konnte.
"Hallo, Admiral Pendergast."
Irgendwoher kannte sie diese Person. Sie kramte in ihrem Gedächtnis und schlagartig wurde ihr klar, dass es sich um ein Crewmitglied der HYPERION handelte.
"Dies ist eine automatische Nachricht, die von einer nahegelegenen Sonde an Ihr Schiff übertragen wird. Sie sollten mich also nicht unterbrechen und genau zuhören. Sobald ich geendet habe, wird besagte Sonde sich selbst zerstören, ein weiteres Abspielen dieser Nachricht ist nicht möglich."
Eine Sonde? Was für eine Sonde?
"Wenn Sie meine Worte hören, ist es Ihrem kleinen Fähnrich also endlich gelungen, in das Schattennetz einzudringen - leider viel zu spät. Sie sind eine intelligente Frau und daher wissen Sie längst, was diese Informationen bedeuten. Trotzdem zweifeln Sie noch immer. Sie sind eine Frau mit Prinzipien, stehen treu zur Verfassung der Solaren Union. Ihr Impuls ist es also, mit den verbliebenen Raumschiffen in Richtung Erde zu fliegen, die Wachforts auszuschalten und die Präsidentin vor Admiral Sjöberg zu warnen."
Die Person auf dem Bildschirm lächelte bitter.
"Das wird Ihnen nicht gelingen. Die Schiffe Michalews werden Sie aufhalten, eine Funkverbindung ist dank der aktivierten Störsender nicht etablierbar und ein Shuttle würde in Schleichfahrt zu lange brauchen. Sie können die Präsidentin nicht warnen. Natürlich bliebe die Möglichkeit, Admiral Michalew zu kontaktieren, um diesem klar zu machen, dass er von Sjöberg manipuliert wird. Aber er wird Ihnen nicht glauben.
Eine ekelhafte Geschichte, nicht wahr?"
Nun seufzte die Person theatralisch.
"Im Gegensatz zu Ihnen, besitze ich deutlich mehr Informationen über die Hintergründe dieses Intrigenspiels. Ich kann Ihnen versichern, es ist bald vorbei. Doch wer auch immer dieses Kräftemessen gewinnt: Sjöberg oder Michalew - und einer von beiden wird es sein - Sie werden dann zu einem Problem. Admiral, Sie wissen zu viel. Und obendrein sind Sie einfach zu ... moralisch."
"Woher wissen Sie das alles?", fragte Santana reflexartig, bevor sie sich der Sinnlosigkeit dieser Tat bewusst wurde.
"Sie haben nur noch wenige Stunden, dann wird es zu einer Entscheidung kommen. So oder so, Sie haben nur eine Wahl: die Flucht. Sammeln Sie jedes Schiff ein, das Sie kriegen können. Vereinen Sie die Loyalisten hinter sich, schleppen Sie jene ab, die sich anschließen
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