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Helix

Helix

Titel: Helix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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ein Wettrennen. Dann sieht er hinter dem Highway die Apartmentgebäude aus der Stalinzeit, die überfrorenen Felder und die aufgegebenen Fabrikanlagen.
    »Ob sich meine Ansichten geändert haben? Ja und nein«, antwortet er.
    »Wir fahren jetzt zum Hotel National«, erklärt Vasilisa, als sie die Vororte der Stadt erreichen. »Dort können Sie – wie sagen Sie es in Ihrer Sprache? Sie können sich in Ihrer Suite einrichten? Sind Sie müde? Möchten Sie schlafen?«
    »Ich bin müde, aber ich könnte nicht schlafen. Hier ist jetzt Morgen. Ich werde bis heute Abend warten und mich dann an Ihre Zeitzone anpassen.«
    »Vielleicht möchten Sie dann das TsUP sehen?«
    »Unbedingt«, sagt Roth. »Lassen Sie uns die Suppe sehen.«
     
    Roth im hell beleuchteten Büro seines Redakteurs beim New York Times Magazine.
    »Norman, wir freuen uns, dass Sie diesen Text für unsere Zeitschrift liefern wollen, aber ich fühle mich nicht gut dabei, Sie zu bitten, Ihre Weihnachtsferien in Moskau zu verbringen.«
    Roth zuckt mit den Achseln. »Was weiß ich schon über Weihnachtsferien?«
    »Wenn es Sie tröstet«, sagt der Ressortleiter Barney Koeppe, »dann werden Sie die Woche mit einer schicken Silvesterparty in der Datscha eines Kosmonauten abschließen. Jeder, mit dem Sie sprechen werden, wird dort sein. Angeblich soll sogar Gorbatschow auf der Gästeliste stehen.«
    »Wow«, sagt Roth. »Ich möchte wirklich gern wissen, warum Sie mich für diesen Beitrag ausgesucht haben, Barney. Das Raumfahrtprogramm ist mir ziemlich egal, und ich habe keinen blassen Schimmer davon. Sie schicken einen Geisteswissenschaftler und Juden und antikapitalistischen Linken und technologisch ungebildeten Menschen in diese postmarxistische, hyperkapitalistische und möglicherweise antisemitische Technologiehölle. Warum?«
    »Erinnern Sie sich an Mailers Buch über die Mondlandung? Auf dem Mond ein Feuer?«
    »Vage. Das ist dreißig Jahre her.«
    »Nun ja, Mailer hatte auch keine Ahnung vom Raumfahrtprogramm, aber er war ein brillanter Autor, und das Buch war eine brillante Reportage.«
    »Ja«, meint Roth, »aber den Leuten war die Mondlandung wichtig. Die Internationale Raumstation und die russische Raumfahrtbehörde sind den Leuten dagegen egal.«
    »Deshalb ist Ihr Beitrag so wichtig, Norman. Es ist Zeit, dass die ganze Raumforschung aus einem anderen Blickwinkel gesehen wird. Wenn uns das nicht gelingt, sollten wir sie lieber gleich ganz aufgeben. Die Mittel der NASA werden schon wieder gekürzt, und alles steht zur Disposition, einschließlich des russischen Anteils an der Raumstation. Die Russen sind außerdem deprimierter als alle anderen, nachdem sie im letzten Jahr die Mir im Meer versenken mussten. Jeder ist sauer auf jeden, und jetzt will die russische Raumfahrtbehörde einen weiteren zahlenden Raumtouristen nach oben schicken, und die NASA-Größen machen sich hier fast in die Hosen.«
    »Ich weiß nicht einmal mehr, wie der erste Tourist hieß, den die Russen hinaufgeschickt haben«, gibt Roth zu.
    »Denis Tito«, sagt der Redakteur. »Er hat zwanzig Millionen Dollar bezahlt. Einer Ihrer Aufträge wird darin bestehen, herauszufinden, wie viel dieser neue Fahrgast zahlt.«
    »Ist er ebenfalls Amerikaner?«
    »Ja. Eine Art Wall-Street-Wunderkind mit einem Abschluss in Mathematik. Es heißt, er sei ein ziemlich verrücktes Huhn. Er will die ganze Zeit, während er da oben ist, die Oberseite der Wolken betrachten.«
    Roth zuckt wieder mit den Achseln. »Scheint mir gar keine so schlechte Beschäftigung zu sein. Immer noch besser als Fruchtfliegen quälen oder was die Astronauten sonst da oben treiben.«
    Der Redakteur legt einen Arm um Roth. »Alles in Ordnung, Norman?«
    »Klar ist alles in Ordnung. Was meinen Sie?«
    »Ich meine … zuerst diese lange Wache, als Ihr Dad im letzten Monat gestorben ist. Dann Ihre Bypass-Operation im August. Ich weiß von John, dass Sie lange nicht mehr gut geschlafen haben, schon vor der Herzoperation. Ich meine, diese verdammte Geschichte ist es nicht wert, dass Sie sich dafür umbringen.«
    »Ich melde mich ja nicht freiwillig für einen Flug zur Raumstation, Barney. Ich werde nur dafür bezahlt, nach Russland zu fahren und mit den Idioten zu reden, die es tun.«
     
    Das Hauptquartier der russischen Raumfahrtbehörde ist ein riesiges Mausoleum in einem nördlichen Vorort von Moskau. Der Mercedes, der Roth und Vasilisa dorthin befördert, holpert durch tiefe Schlaglöcher und muss auf der eintönigen

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