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Helix

Helix

Titel: Helix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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wieder sprechen konnte.
    »Das kann doch nicht sein«, sagte ich.
    Außenministerin Betty Willard Bright Moon richtete ihren Blick aus undurchdringlichen dunklen Augen auf mich. »Warum denn nicht?«
    Normalerweise hätten mich die Persönlichkeit der Frau, ihr Rang und diese Augen auf der Stelle verstummen lassen, doch dies war einfach zu absurd, um schweigend übergangen zu werden. Ich streckte die Hände vor, die Handflächen nach oben gedreht. »Diese Wanzen haben sechs Beine«, sagte ich schließlich. »Sie sehen aus, als könnten sie kaum laufen. Wir steigen auf den zweithöchsten Berg der Erde. Und auf den gefährlichsten.«
    Die Außenministerin Bright Moon hielt meinem Blick stand. »Die Wanz … die Mantispa scheinen in ihrer Enklave in der Antarktis recht gut zurechtzukommen«, erwiderte sie gelassen. »Und manchmal laufen sie auch auf zwei Beinen.«
    Paul schnaubte. Gary ließ die Hände hinter dem Kopf verschränkt, die Schultern waren zurückgezogen, seine Haltung schien entspannt, aber seine Augen blickten hart wie Feuerstein. »Ich nehme an, wenn diese Wanze mit uns klettert, werden Sie uns auch für ihr Wohlergehen verantwortlich machen«, sagte er.
    Die Ministerin drehte mit einer abrupten, schnellen Bewegung, die an eine Eule erinnerte, den Kopf zu ihm herum. »Ihre Annahme ist korrekt«, meinte sie. »Das wird unsere vordringliche Sorge sein. Die Sicherheit der Lauscher ist immer unsere vordringliche Sorge.«
    Gary ließ die Hände sinken und schüttelte den Kopf. »Das ist unmöglich. Auf achttausend Metern kann niemand mehr einem anderen helfen.«
    »Deshalb nennt man diesen Bereich auch die Todeszone«, ergänzte Paul. Er schien verärgert zu sein.
    Bright Moon ignorierte Paul und konzentrierte sich auf Gary. Sie hatte viele Jahrzehnte mit Machtkämpfen, Verhandlungen und politischen Intrigen verbracht und wusste genau, wer bei uns letztlich das Sagen hatte. »Wir können den Aufstieg sicherer gestalten«, sagte sie. »Telefon, CMGs, die auf Abruf bereitstehen, Datenverbindungen …«
    Gary schüttelte abermals den Kopf. »Wir machen die Besteigung ohne Telefon und Medevac-Unterstützung aus der Luft.«
    »Das ist doch absurd …«, begann die Außenministerin.
    Gary ließ sie nicht ausreden. »So ist es nun einmal«, sagte er. »So halten es die echten Bergsteiger heutzutage. Dagegen suchen wir kaum freiwillig einen so widerwärtigen Scheißladen auf.« Er deutete zum abgedunkelten Hillary Room zu unserer Rechten, aber die Geste schloss das ganze sich drehende Dach der Welt ein. Einer der Marines zuckte zusammen, als er den vulgären Ausdruck hörte.
    Außenministerin Bright Moon verzog keine Miene. »Also gut, Mr. Sheridan. Telefone und CMG-Medevacs sind offensichtlich nicht verhandelbar. Über alles andere können wir aber reden?«
    Gary schwieg eine geschlagene Minute. Dann sagte er: »Ich nehme an, Sie werden uns das Leben zur Hölle machen, wenn wir uns weigern?«
    Die Außenministerin lächelte leicht. »Ich glaube, Sie drei werden beispielsweise feststellen, dass Sie keine Visa mehr für Klettertouren im Ausland bekommen«, antwortete sie. »Nie wieder. Und Sie könnten auch sehr bald Schwierigkeiten mit den Steuern bekommen. Besonders Sie, Mr. Sheridan, da Ihre Firmenkonten so … so kompliziert sind.«
    Gary erwiderte ihr Lächeln. Es schien beinahe, als fände er Gefallen an dieser Entwicklung. »Und was ist für uns drin, wenn wir zustimmen?«, sagte er langsam und fast schleppend.
    Bright Moon nickte, und einer der Lakaien zu ihrer Rechten öffnete eine weitere Aktenmappe und schob ein glänzendes Farbfoto über den Tisch zu uns herüber. Wieder beugten wir uns vor und starrten. Paul runzelte die Stirn. Ich brauchte eine Weile, um zu verstehen, was es war. Es war eine Art roter Schildvulkan. Hawaii?
    »Mars«, sagte Gary leise. »Olympus Mons.«
    »Er ist mehr als doppelt so hoch wie der Mount Everest«, sagte die Außenministerin Bright Moon.
    Gary lachte amüsiert. »Doppelt so hoch? Scheiße, meine gute Frau. Olympus Mons ist mehr als dreimal so hoch wie der Everest. Mehr als achtundachtzigtausend Fuß, und er hat einen Durchmesser von dreihundertfünfunddreißig Meilen. Die Caldera ist dreiundfünfzig Meilen groß. Mein Gott, die äußere Klippe dieses Berges ist allein schon höher als der Everest – zweiunddreißigtausendachthundert Fuß, senkrecht und überhängend.«
    Bright Moon hatte endlich doch gezuckt, als die Worte »Scheiße, meine gute Frau« gefallen waren. Ich

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