Hellas Channel
schlang man früher eine Portion Lammeintopf hinunter. Heutzutage wählt man ein Salätchen und gibt sich vornehm.
»Wenn man davon ausgeht, was andere über sie sagten«, fährt Sotiropoulos fort, »dann war sie eher das Gegenteil.«
»Was heißen soll?«
»Mannstoll und unersättlich.« Mit einem Mal sieht er, daß er in seiner Boshaftigkeit entgleist ist, und versucht zu retten, was zu retten ist: »Vielleicht tue ich ihr Unrecht, denn ich weiß nichts Konkretes. Das sind alles nur Gerüchte.«
»Und was sagen diese Gerüchte?«
»Daß sie keine festen Beziehungen einging. Alle naselang war sie mit einem anderen liiert. Aber sie suchte sich immer Männer in einflußreichen Positionen aus. Unternehmer … Politiker … Sie verband das Angenehme mit dem Nützlichen, wie es so schön heißt.« Er legt seiner Boshaftigkeit wieder Zügel an und setzt gleich hinzu: »Damit wir uns richtig verstehen: Nicht ich sage das, sondern die anderen.«
»Wissen Sie, ob sie gerade bestimmte Nachforschungen anstellte?«
»Ich kann Ihnen nur ganz allgemein sagen, daß sie immer irgendeiner heißen Sache auf der Spur war. Sie war wie eine lästige Fliege auf ihrer Spurensuche und schreckte vor nichts zurück. Sie steckte ihre Nase überall hinein, und jedes Mittel war ihr recht. Sie war verrückt danach, Skandalgeschichten zu enthüllen. Darüber ließ sie niemals etwas im Vorfeld verlauten. Auch nicht zu Delopoulos, der auf sie schwörte.«
»War sie eine gute Journalistin? Ich möchte, daß Sie mir geradeheraus Ihre Meinung sagen, ohne Umschweife.«
Er wird ernst und denkt nach. »Niemand konnte sie leiden, also war sie gut«, antwortet er langsam. »Es ist die Aufgabe eines Reporters, allen unsympathisch zu werden. Je weniger man ihn leiden kann, desto besser ist er.«
Seine Erklärung paßt genausogut auf die Karajorgi wie auf ihn selbst. Es gelingt ihm, mir durch seine Aussage sympathisch zu werden. Was meine Ansicht bestätigt, daß er kein guter Journalist ist. Ich blicke ihn weiter stumm an. Er merkt, daß ich keine weiteren Fragen habe, und erhebt sich.
»Was haben Sie vor? Gibt es heute noch eine Presseverlautbarung, damit wir den Zuschauern auch etwas bieten können?«
»Was denn für eine Verlautbarung! Wo ich doch keinerlei Hinweise habe?! Alles, was ich weiß, stammt von gestern abend, und das wissen Sie bereits. Fassen Sie sich ein, zwei Tage in Geduld, dann wird schon etwas für Sie abfallen.«
Während er das Büro verläßt, läutet das Telefon. »Charitos«, flöte ich in die Muschel, getreu den Gebräuchen des FBI .
»Hier spricht Mina Antonakaki, Janna Karajorgis Schwester«, höre ich eine gebrochene Stimme am anderen Ende sagen. »Für welchen Zeitpunkt kann ich das Begräbnis meiner Schwester festsetzen, wohin soll ich mich deswegen wenden?«
»In ein bis zwei Tagen können Sie sie aus dem Leichenschauhaus abholen lassen, Frau Antonakaki. Vorher müssen wir aber noch miteinander reden.«
»Nicht jetzt. Ich bin seelisch nicht in der Lage, mit irgend jemandem zu sprechen.«
»Hören Sie, Frau Antonakaki. Gestern hat jemand Ihre Schwester getötet. Wir wollen den Mörder finden und benötigen Ihre Auskünfte. Ich habe für Ihren seelischen Zustand Verständnis, doch wir müssen uns mit Ihnen treffen. Wenn Sie wollen, komme ich auch gerne zu Ihnen. Wir dürfen es nur nicht zu lange hinausschieben.«
Sie scheint einen Augenblick darüber nachzusinnen. »Kommen Sie zu mir, ich stehe Ihnen zur Verfügung«, sagt sie matt ins Telefon und gibt mir ihre Adresse.
Ich habe bislang weder die Auswertung der Spurensicherung noch den Befund des Gerichtsmediziners Markidis vorliegen und entschließe mich deshalb, die übrigen Reporter in einem Aufwasch zu verhören, damit sich keiner von ihnen übergangen fühlt. Doch niemand kann mir mehr sagen, als ich ohnehin schon von Sotiropoulos weiß. Keiner hat etwas Neues hinzuzufügen, die Karajorgi vertraute sich – darin stimmen alle Aussagen überein – niemandem an und deckte ihre Karten nicht auf.
Als auch die letzte Journalistin – die kleine Runzlige mit den roten Strümpfen – gegangen ist, lasse ich alle Aussagen noch einmal Revue passieren. Draußen prasselt der Regen unablässig nieder. Die Alte von gegenüber steht mit ihrer Katze auf dem Arm in der Balkontür und spricht auf sie ein. Ich weiß nicht, ob sie mit ihr plauscht oder ihr ein Schlummerliedchen vorsummt. Die Katze hat sich jedenfalls in ihre Arme gekuschelt und blickt genießerisch in den
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