Hellas Channel
wir uns bei Ihnen beginnen, wo Sie doch der Dienstälteste sind und die Karajorgi am besten kannten.« Jetzt wissen sie, woran sie sind. Sie begreifen, daß ich sie wegen eines Verhörs und nicht wegen einer offiziellen Stellungnahme warten ließ. Sotiropoulos sieht mich herausfordernd an. Wenn ich ihn dazu bringen kann, klein beizugeben, dann werden alle anderen mitziehen.
»Kommen Sie nun?« frage ich kühl. »Oder ziehen Sie es vor, eine Vorladung zugeschickt zu bekommen und innerhalb von vierundzwanzig Stunden zum Verhör erscheinen zu müssen?«
Ich gehe zur Tür, öffne sie und warte ab. Er zaudert kurz, schließlich gibt er sich einen Ruck und tritt in das Büro.
»Setzen Sie sich«, sage ich und zeige auf den gegenüberstehenden Stuhl.
»Sollte ich nicht besser stehenbleiben, da ich doch zu den Tatverdächtigen zähle?«
»Jetzt machen Sie mal halblang, Sotiropoulos. Finden Sie, der Mord an der Karajorgi bietet Grund zum Witzeln? Es handelt sich doch um eine Berufskollegin, verdammt noch mal! Sie als Journalist müßten sich doch als erster für eine Erhellung der Angelegenheit stark machen. Statt dessen jedoch nehmen Sie unser Vorgehen unter Beschuß, bloß weil wir Ihnen ein paar Fragen stellen wollen.«
Meine Attacke trifft genau ins Schwarze. Möglicherweise haßte er die Karajorgi. Und er verbirgt seine klammheimliche Freude darüber, daß ihre Stelle irgendein Neuling einnehmen wird, der noch nicht trocken hinter den Ohren ist und den er nach Belieben manipulieren kann. Er nimmt auf dem Stuhl Platz.
»Bitte sehr … Fragen Sie«, sagt er mit nunmehr ernster Miene.
»Ich habe keine Fragen an Sie. Sie selbst werden mir sagen, was ich hören will. Als erfahrener Journalist werden Sie wissen, was mich interessieren könnte.«
Diese Taktik habe ich von Kommissar Kostaras zu Juntazeiten gelernt, als ich für eine Weile in die Folterzentrale in der Bouboulinas-Straße versetzt wurde. Wenn er einen Neuen in die Finger bekam, dann ließ er ihn einige Tage bei den anderen schmoren, die gerade gefoltert wurden, um ihm seine Aufmüpfigkeit auszutreiben. Am dritten Tag setzte er ihn auf den gegenüberstehenden Stuhl und sagte: »Ich habe keine Fragen an Sie, Sie müssen selbst wissen, was Sie mir zu sagen haben. Wenn mir gefällt, was ich höre, habe ich vielleicht Mitleid mit Ihnen.« Und das arme Schwein kotzte alle Informationen aus, um es ihm recht zu machen. Meine Aufgabe war, die Gefangenen zum Verhör zu bringen. Dann stand ich in einer Ecke und verfolgte bewundernd Kostaras’ Verhörtechnik. Heute ist mir klar, daß er Stuß redete und völlig im dunkeln tappte. So wie ich jetzt.
Sotiropoulos sieht mich grüblerisch an. Er versucht sich klarzuwerden, was er mir sagen sollte. »Ich weiß nichts«, meint er schließlich.
Bei mir knallt eine Sicherung durch. »Sagen Sie mal, worauf wollen Sie eigentlich hinaus? Wollen Sie sich auf die journalistische Schweigepflicht oder ähnlichen Unsinn berufen? Bei solchen Dingen geht mir der Hut hoch, zu Ihrer Information!«
»Ich berufe mich auf gar nichts«, antwortet er sanft. »Ich sage einfach die Wahrheit. Ich weiß nichts.« Er verstummt und überlegt, als ob er um eine Erklärung ringe. Dann fährt er mehr zu sich selbst als zu mir gerichtet fort: »Die Karajorgi war ein verschlossener Mensch. Sie hat ihre Karten nie aufgedeckt. Nicht nur auf beruflicher Ebene, auch im Privaten. Im Endeffekt deckt niemand von uns seine beruflichen Karten auf. Sie wohnte an der Ringstraße um den Lykavittos. Allein. Ich betone das, weil ich sie niemals in Begleitung gesehen habe. Wenn wir im Kollegenkreis ab und zu auf ein Bier gingen, dann kam sie immer allein.«
Seine Aussage weckt wieder den alten Verdacht in mir. »Sagen Sie mal, war sie etwa lesbisch?«
Er lacht auf, doch sein Blick hinter der runden Himmlerbrille bohrt sich in mich, als ob er mich ins Konzentrationslager schicken wollte. »Ihr Polizisten habt eine perverse Phantasie, wie alle Kleinbürger. Sobald ihr eine Frau allein ausgehen seht, stempelt ihr sie als Lesbe ab.« Scheinbar trennt er fein säuberlich zwischen uns Polizisten und sich selbst, da er doch offensichtlich kein Kleinbürger ist. Soweit kann ich ihm folgen. Was ich nicht weiß, ist: Wo ordnet er sich selbst ein, bei den Linken oder bei den Großbürgern mit den Armani-Hemden und Timberland-Schuhen? Höchstwahrscheinlich gehört er zu denjenigen, die sich sowohl für politisch links als auch für stilvolle Großbürger halten. Als solcher
Weitere Kostenlose Bücher