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Hellas Channel

Hellas Channel

Titel: Hellas Channel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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gefunden wurden. Auch das wurde rot unterstrichen.
    Nun fällt bei mir der Groschen, warum die Karajorgi mich ständig löcherte, ob die Albaner Kinder hatten. Sie war der Überzeugung, daß ihre Ermordung entweder mit Kinderhandel oder mit Kindesentführung zu tun hatte, und wollte mich auf diese Fährte lenken. Ich lehne mich zurück, schließe die Augen und versuche sie mir vorzustellen. Mysteriöse Frau. Sie hatte Petratos zum Geliebten und verachtete ihn. Im Gegensatz dazu hatte sie Vertrauen zu mir, obwohl sie wußte, daß ich sie nicht leiden konnte, und zur Kostarakou, die jeden Grund hatte, sie zu hassen.
    Der unbekannte ›N‹ ist nicht Petratos. Ich bin mir nahezu gewiß, daß sein Schriftzug nicht mit dem des Briefschreibers übereinstimmt. Der unbekannte ›N‹ ist derjenige, der nach dem Aktenordner suchte und sie bedrohte. Auf jeden Fall hatte die Enthüllungsstory mit all dem zu tun. Wer verschaffte ihr jedoch die Materialien aus unseren eigenen Archiven? Wer ließ sich von ihr bestechen? Mir stehen die Folgen klar vor Augen, und ich möchte keine weitere Verantwortung auf mich laden. Meine Pluspunkte sind so sehr zusammengeschmolzen wie mein Guthaben auf der Bank. Ich nehme den Hörer ab und ersuche Koula, mich mit Gikas zu verbinden.
    Er begrüßt mich mit einem staubtrockenen ›Ja‹.
    »Ich muß Sie dringend sprechen.«
    »Ich habe zu tun. Wenn es um Ihren Bericht geht, schicken Sie ihn mir einfach rüber.«
    »Es handelt sich nicht um den Bericht. Es geht um etwas wesentlich Ernsteres.«
    »Hat es mit dem Fall zu tun?«
    »Hat es sehr wohl, doch es hat auch direkt mit uns zu tun. Jemand hat die Karajorgi mit Hinweisen aus unseren Archiven versorgt.«
    Er denkt einen Augenblick nach. »Kommen Sie«, sagt er dann und legt auf.
    Ich bringe Karajorgis Aktenordner wieder in den ursprünglichen Zustand, stecke ihn in die Plastiktüte der jungen Antonakaki und verlasse das Büro.

26
    D er Aktenordner liegt aufgeschlagen vor ihm, als sei er in zwei Hälften zerfallen. Rechts befinden sich die eigentlichen Unterlagen mit Karajorgis Fotografien und Aufstellungen, links liegt die blaue Mappe mit den Fotokopien aus unserem Archiv. Gikas’ Aufmerksamkeit ist auf den ersten Teil gerichtet. Ich stehe ihm gegenüber und beobachte ihn. Ich habe die Kodak-Papiertüte ganz unten hingelegt, damit sein Blick zuerst auf den Zeitungsausschnitt fallen muß.
    »Pylarinos!« ruft er aus, und seine Hände zucken zurück, als hätte er sich verbrannt.
    »Es geht noch weiter.«
    Er sieht mich an und ist sich noch nicht im klaren darüber, ob er in Verwunderung oder in Schrecken verfallen soll. Er wirft einen Blick auf den Umfang des Ordners, entscheidet sich für den Schrecken und beginnt darin zu blättern. Er erspäht die übrigen Zeitungsausschnitte, die Landkarte, Karajorgis Tabellen. Er fühlt einen Unstern über seinem Haupt aufgehen.
    »Petratos allein hat nicht gereicht, jetzt haben wir auch noch mit Pylarinos zu tun. Es sieht so aus, als habe er Dreck am Stecken. Doch das heißt noch nicht, daß er die zwei Frauen auf dem Gewissen hat oder jemanden engagiert hat, sie umzulegen. Vielleicht haben die beiden Fälle nichts miteinander zu tun. Was haben Sie mit dem ganzen Material vor?«
    Ich weiß, was ich vorhabe, doch ich behalte es für mich. »Ich erwarte Ihre Anordnungen. Sie haben den Oberbefehl über die Ermittlungen.«
    Er blickt mich an. »Setzen Sie sich«, meint er.
    Jetzt hat er begriffen, warum ich so kühl und kurz angebunden bin. Er beugt sich nach vorn, und sein Gesicht nimmt einen sehr vertraulichen, sehr persönlichen Ausdruck an, als wären wir Freunde von Kindesbeinen an.
    »Hören Sie zu, Kostas. Sie sind ein fähiger Polizist. Sie haben sowohl Verstand als auch Gespür. Sie haben nur einen Fehler. Sie sind stur, Sie verstehen es nicht, sich aus einer delikaten Situation herauszuwinden, sich aus Schwierigkeiten herauszumanövrieren. Sie preschen los, wollen mit dem Kopf durch die Wand und holen sich eine blutige Nase. Wenn Sie es mit einem Kaliber wie Delopoulos oder Pylarinos zu tun haben, dann müssen Sie aalglatt sein, sonst servieren die Sie am Ende ab und stellen Sie kalt.«
    Ich halte den Mund, weil ich einsehe, daß er recht hat. Ich bin tatsächlich stur. Wenn ich mir etwas in den Kopf setze, dann versuche ich es mit aller Gewalt durchzuziehen.
    »Deshalb habe ich gesagt, daß ich persönlich die Leitung der Ermittlungen übernehme: um den Druck von Ihnen zu nehmen und Sie zu schützen.

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