Helle Barden
daß ich meine
Grippe nehme«, entgegnete ein Wächter.
»Wenn du noch länger hierbleibst, könnten sich der Grippe andere
Krankheiten hinzugesellen«, mahnte Karotte.
Die Tagwächter eilten so schnell fort, wie es Ehre und Würde erlaub-
ten. Die Menge schenkte ihnen kaum Beachtung. Sie fand es viel interes-
santer, Karotte zu beobachten.
»Na schön«, sagte er nun. »Detritus, nimm dir einige Männer und hol
den Gefangenen.«
»Ich sehe nicht ein, warum…«, begann ein Zwerg.
»Du still sein, schrecklicher Mann«, brummte der machttrunkene Detri-
tus.
Von einem Augenblick zum anderen herrschte völlig Stille.
Man hätte die Klinge einer Guillotine fallen hören können.
In der Menge griffen unterschiedlich große Hände nach verborgenen
Waffen.
Al e sahen Karotte an.
Das war das Seltsame daran, erinnerte sich Colon später. Alle Blicke
richteten sich auf Karotte.
Gaspode beschnüffelte einen Laternenpfahl.
»Ah. Der dreibeinige Schepp ist erneut krank gewesen, wie ich rieche«,
sagte er. »Und Schnösel-Willi hält sich wieder in der Stadt auf.«
* Es lautet: »Wer einen Troll an den Boden kettet und die günstige Gelegenheit nutzt, ihn zu treten, sollte besser nicht zugegen sein, wenn die Ketten gelöst werden.«
Für Hunde sind gut plazierte Laternenpfähle wie die Gesel schaftsru-
brik in der Zeitung.
»Wo sind wir?« fragte Angua. Es fiel ihr schwer, die Fährte des Stin-
kenden Alten Ron weiterhin zu erkennen, weil es hier viele andere Gerü-
che gab.
»Irgendwo in den Schatten«, erwiderte Gaspode. »Die Schätzchengasse
riecht so.« Er schnüffelte erneut, diesmal am Boden. »Aha, hier ist die
Spur wieder. Sie…«
» Hallo, Gaspode… «
Die Stimme war tief und heiser, und ihr Flüstern klang, als hätte je-
mand Sand hineingestreut.
»Wer ist deine Freundin, Gaspode?«
Jemand kicherte spöttisch.
»Oh«, erwiderte Gaspode. »Äh. Hallo, Kumpel.«
Zwei Hunde näherten sich. Sie waren riesig und gehörten zu keiner
klar identifizierbaren Rasse. Einer von ihnen war pechschwarz und sah
aus wie eine Kreuzung zwischen einem Bul terrier und einem Fleisch-
wolf. Der andere wirkte wie ein Hund, der den Namen »Schlächter« trug.
Aufgrund der sehr langen Reißzähne schien es, als betrachte er die Welt
durch ein Gitter. Dazu hatte er krumme Beine – obwohl es sehr dumm
oder sogar fatal gewesen wäre, ihn darauf anzusprechen.
Gaspodes Schwanz vibrierte nervös.
»Das sind meine Freunde, der Schwarze Roger und…«
»Schlächter?« vermutete Angua.
»Woher weißt du das?«
»Hab’ nur geraten.«
Die beiden großen Hunde blieben rechts und links von ihnen stehen.
»Na so was«, sagte der Schwarze Roger. »Wen haben wir denn hier?«
»Sie heißt Angua«, erwiderte Gaspode. »Und sie ist ein…«
»Wolfshund«, sagte Angua.
Die beiden Hunde schlichen um sie herum.
»Weiß der Große Fido von ihr?« fragte der Schwarze Roger.
»Ich wol te gerade…«, begann Gaspode.
»Du wol test uns bestimmt begleiten«, unterbrach ihn der Schwarze
Roger. »Heute abend findet eine Gildenversammlung statt.«
»Klar, natürlich«, erwiderte Gaspode hastig. »Kein Problem.«
Ich könnte mit ihnen fertig werden, dachte Angua. Aber nicht mit bei-
den gleichzeitig.
Ein Werwolf verfügte über genug Kiefernkraft, um jemandem in ein,
zwei Sekunden die Halsschlagader zu zerfetzen. Anguas Vater hatte sich
besonders gut darauf verstanden und diesen Trick recht häufig angewen-
det, worüber sich ihre Mutter besonders ärgerte, wenn er sein diesbezüg-
liches Geschick unmittelbar vor den Mahlzeiten bewies. Was die Tochter
betraf… Als überzeugte Vegetarierin konnte sie sich nie dazu durchrin-
gen, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen.
»Hal o«, knurrte Schlächter an ihrem Ohr.
»Keine Sorge«, stöhnte Gaspode. »Der Große Fido und ich… Wir ste-
hen so zueinander.«
»Was versuchst du da? Wil st du Krallen überkreuzen? Ich wußte gar
nicht, daß Hunde so was können.«
»Können sie auch nicht«, erwiderte Gaspode kläglich.
Andere Hunde kamen aus der Finsternis, als man sie durch Gassen
führte, die eigentlich nur noch Spalten zwischen Mauern waren. Schließ-
lich gelangten sie zu einem freien Bereich, der in erster Linie dazu diente, die Gebäude in der Nähe mit Tageslicht zu versorgen. In einer Ecke lag
eine Tonne mit einer zerrissenen Decke darin. Daneben und davor war-
teten Hunde erwartungsvol . Einige von ihnen hatten nur ein Auge oder
ein
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