Helle Barden
konnte man hier einen Brief aufgeben und sicher sein, daß er innerhalb eines Monats zugestellt wurde. Man brauchte ihn keinem Zwerg zu geben, in der Hoffnung, daß der kleine Mistkerl ihn nicht verspeist…«
Mumm unterbrach sich.
»Äh. Entschuldige. Ich wollte dich nicht beleidigen.«
»Oh, keine Sorge«, erwiderte Karotte fröhlich.
»Eigentlich habe ich nichts gegen Zwerge. Man muß lange suchen, bevor man geschicktere, gesetzestreuere, fleißigere…«
»… kleine Mistkerle findet?«
»Ja. Nein!«
Sie setzten den Weg im Patrouillenschritt fort.
»Jene Frau Kuchen…«, sagte Karotte nach einer Weile. »Scheint sehr willensstark zu sein, wie?«
»Und ob«, erwiderte Mumm.
Etwas knirschte unter Karottes großer Sandale.
»Noch mehr Glas«, stellte er fest. »Selbst hier, ein ganzes Stück von der Assassinengilde entfernt.«
»Explodierende Drachen! Das Mädchen hat vielleicht Phantasie…«
»Wuff-wuff«, erklang eine Stimme hinter ihnen.
»Der blöde Hund ist uns gefolgt«, sagte Mumm.
»Er bellt die Mauer an«, meinte Karotte.
Gaspode bedachte sie mit einem kühlen Blick.
»Wuff-wuff, meine Güte, jaul-jaul«, sagte er. »Seid ihr blind oder was?«
Normale Leute hörten keine Worte von Gaspode, weil gewöhnliche Hunde
nicht sprechen.
Das ist eine allgemein bekannte Tatsache. Dieses Wissen ist ein integraler Bestandteil der intellektuell-organischen Struktur, wie andere allgemein bekannte Tatsachen. Sie haben Vorrang gegenüber allen Informationen, die von den Sinnen übermittelt werden. Aus gutem Grund: Wenn die Leute ständig darauf achten würden, was um sie herum geschieht, brächte niemand mehr etwas zustande. 7
Außerdem spricht die überwiegende Mehrheit der Hunde wirklich nicht. Die sprechenden Exemplare sind nur ein statistischer Fehler, den man getrost ignorieren kann.
Gaspode hatte inzwischen herausgefunden, daß man ihn auf einem unterbewußten Niveau hörte. Am vergangenen Tag hatte ihn zum Beispiel jemand getreten und dann nach einigen Schritten gedacht: Ich bin doch ein echter Mistkerl.
»Da oben ist etwas«, sagte Karotte. »Sieh nur… An der Steinfigur hängt was Blaues.«
»Wuff-wuff,
wuff!
Wollt ihr euch das Ding nun aus der Nähe ansehen oder nicht?«
Mumm kletterte auf Karottes Schultern und streckte die Hände an der Wand hoch, doch er erreichte den blauen Streifen nicht.
Die Steinfigur drehte ein Auge in seine Richtung.
»Wenn du bitte so freundlich wärst…«, sagte Mumm. »Es hängt an deinem Ohr.«
Stein schabte über Stein, als die Figur eine Hand hob und das Etwas von seinem Ohr löste.
»Danke.«
»Keine Urfache.«
Mumm kehrte auf den Boden zurück.
»Diese Steinfiguren gefallen dir, nicht wahr, Hauptmann?« fragte Karotte, als sie fortgingen.
»Ja. Es sind natürlich Trolle – eine Subspezies –, aber sie bleiben unter sich, erscheinen nur selten unterhalb des ersten Stocks und verüben keine Verbrechen, von denen jemand etwas erfährt. Solche Leute mag ich.«
Er sah sich den blauen Streifen an.
Das Ding erwies sich als der Rest eines Halsbands. Unter dem Ruß zeichnete sich das Wort »Chubby« ab.
»Meine Güte!« brachte Mumm hervor. »Es ist tatsächlich ein Drache explodiert!«
An dieser Stelle soll der gefährlichste Mann der Scheibenwelt vorgestellt werden.
Nie hat er einem lebenden Geschöpf ein Leid zugefügt. Ein paar sind von ihm seziert worden, aber erst nach ihrem Tod 8 . Bei diesen Gelegenheiten staunte er, wie gut alles zusammenpaßte, was er um so bemerkenswerter fand, weil nur ungelernte Arbeit dahintersteckte. Mehrere Jahre lang blieb er in einem großen, luftigen Zimmer, was ihn jedoch kaum belastete: Die meiste Zeit verbrachte er ohnehin im eigenen Kopf. Bestimmte Personen lassen sich nicht einsperren.
Er hatte herausgefunden, daß eine Stunde Gymnastik pro Tag gesunden Appetit schuf und die Verdauung förderte. Derzeit saß er auf einem von ihm selbst erfundenen Apparat.
Die Vorrichtung bestand aus einem Sattel über einer Tretkurbel, die über eine Kette ein hölzernes Rad antrieb. Ein metallener Ständer hielt es über dem Boden. Ein zweites Holzrad vor dem Sattel konnte mittels einer Steuerstange gedreht werden. Das zweite Rad und die Stange hatte der Mann hinzugefügt, um den Apparat leichter hin und her schieben zu können. Außerdem ergab es eine hübsche Symmetrie.
Er nannte seine Erfindung »Das-Rad-mit-Pedalen-drehen-und-noch-ein-Rad-Maschine«.
Lord Vetinari arbeitete ebenfalls.
Normalerweise saß er
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