Helle Barden
einmal den Kopf, geschweige denn, daß er die Frage stellte, was »weg« war. Er weiß Bescheid, dachte das Oberhaupt der Assassinengilde. Wieso kann man ihm nie etwas sagen, das er noch nicht weiß?
Lord Vetinari legte ein Blatt Papier beiseite und nahm ein anderes.
»Du bist immer noch da, Professor Kreuz.«
»Ich versichere dir, daß wir…«
»Oh, da bin ich sicher. Völlig klar. Allerdings beschäftigt mich in diesem Zusammenhang eine Frage.«
»Herr?«
»Wieso befand sich der gestohlene Gegenstand im Gildenhaus? Wenn ich mich recht entsinne, habe ich die Anweisung erteilt, ihn zu zerstören.«
Kreuz hatte gehofft, daß ihm diese Frage erspart blieb. Sie berührte einen wunden Punkt.
»Äh. Wir… das heißt, mein
Vorgänger
hielt es für eine gute Idee, das Objekt als warnendes Beispiel aufzubewahren.«
Der Patrizier sah auf und lächelte.
»Prächtig!« erwiderte er. »Ich bin immer davon überzeugt gewesen, daß Beispiele eine große Wirkung haben. Damit meine ich auch Beispiele wie ›ein Exempel statuieren‹. Nun, du bist bestimmt in der Lage, das Problem schnell zu lösen, ohne daß sich weitere Schwierigkeiten ergeben.«
»Gewiß, Herr«, sagte der Assassine kummervoll. »Aber…«
Es wurde Mittag.
Der Mittag in Ankh-Morpork dauerte eine Weile, denn die genaue Uhrzeit – zwölf Uhr – mußte per Mehrheitsbeschluß festgestellt werden. Als erste Glocke läutete für gewöhnliche die der Lehrergilde; sie reagierte damit auf die Gebete der Gildenmitglieder. Anschließend löste die Wasseruhr auf dem Tempel der Geringen Götter einen großen Bronzegong aus. Die schwarze Glocke im Tempel des Schicksals schlug einmal, und zwar ganz unerwartet. Unmittelbar darauf klimperte das Carillon der Narrengilde, und das Läuten der anderen Gilden gesellte sich hinzu. Es entstand ein akustisches Durcheinander, in dem sich keine der Glocken mehr voneinander unterscheiden ließen. Mit Ausnahme der magischen Oktironglocke im Turm der Unsichtbaren Universität. Der klöppellose alte Tom schuf zwölf laute Stillen, die alles übertönten.
Zum Schluß erklang die Glocke der Assassinengilde.
Neben dem Patrizier summte eine Sonnenuhr zweimal und fiel dann um.
»Was wolltest du sagen?« fragte Lord Vetinari.
»Hauptmann Mumm«, brachte Kreuz hervor. »Er stellt Ermittlungen an.«
»Natürlich. Das ist seine Pflicht.«
»Tatsächlich? Ich verlange von dir, daß du ihm den Befehl gibst, sich nicht mit dieser Angelegenheit zu befassen.«
Die Worte hallten durch den Park. Einige Tauben erschraken und flogen hoch.
»Du…
verlangst
?« fragte der Patrizier freundlich.
Professor Kreuz trat einen Schritt zurück, Verzweiflung zitterte in ihm. »Er steht in deinen Diensten«, sagte er. »Warum sollte es ihm erlaubt sein, sich in Dinge einzumischen, die ihn nichts angehen?«
»Er glaubt, nicht mir zu dienen, sondern dem Gesetz«, erwiderte der Patrizier.
»Er ist ein Wichtigtuer und ein arroganter Emporkömmling!«
»Meine Güte. Ich sehe mich außerstande, deine intensiven Gefühle zu teilen. Aber ich nehme den Hauptmann an die Kandare, wenn du solchen Wert darauf legst.«
»Danke.«
»Schon gut. Und jetzt möchte ich dich nicht länger aufhalten.«
Der Patrizier winkte vage, und Professor Kreuz ging in die entsprechende Richtung.
Lord Vetinari nahm weitere Blätter zur Hand und sah nicht auf, als in der Ferne ein gedämpfter Schrei erklang. Er griff nach einer kleinen silbernen Glocke und läutete kurz.
Ein Bediensteter eilte herbei.
»Hol die Leiter, Drumknott«, sagte er. »Professor Kreuz scheint ins Hoho gefallen zu sein.«
Die Hintertür der Werkstatt öffnete sich mit einem leisen Knarren. Bjorn Hammerhock warf einen kurzen Blick nach draußen, um festzustellen, ob jemand seine Dienste in Anspruch nehmen wollte.
Er schauderte und schloß die Tür.
»Ist windig geworden«, sagte er zu der anderen anwesenden Person. »Nun, vielleicht läßt dadurch die Hitze nach.«
Die Decke der Werkstatt schwebte nur anderthalb Meter über dem Boden. Für einen Zwerg genügte das völlig.
AU, sagte eine Stimme, die niemand hörte.
Hammerhock betrachtete den auf der Werkbank festgeklemmten Gegenstand und griff nach einem Schraubenzieher.
AU.
»Erstaunlich«, murmelte der Zwerg. »Wenn man diese Röhre in den Lauf schiebt… Ich
glaube,
dann bewegen sich die sechs Kammern. Ja, dann gleitet eine von ihnen vor… vor die Feueröffnung. Soweit scheint alles klar zu sein. Was den Auslöser betrifft…
Weitere Kostenlose Bücher