Hell's Angels (German Edition)
nach, die ich ihm hinsichtlich meiner journalistischen Tätigkeit aufgetischt hatte, und erklärte dann, wir dürften den Platz nicht verlassen. Das löste eine längere Debatte aus, in der es um die Pressefreiheit ging, um das Recht eines Staatsbürgers, zu den gesetzlich zulässigen Uhrzeiten Bier zu erwerben, und um die Möglichkeit, dass die Hell’s Angels, wenn man uns zur Umkehr zwang, auf eigene Faust losziehen würden, um Bier zu besorgen.
»Wo wollen Sie denn welches kaufen?«, fragte der Captain. »Alle Läden haben zu.«
»Wir fahren so weit, wie es nötig ist«, sagte ich. »Wir haben viel Zeit.«
Sie steckten kurz die Köpfe zusammen und ließen uns dann passieren – zweifellos in dem Glauben, wir müssten die sechzig Meilen nach Madera fahren, um eine Bar zu finden, die noch geöffnet hatte. Als wir weiterfuhren, lächelte einer der Polizisten und sagte: »Gute Reise!«
Zehn Minuten später parkten wir vor dem, was der Supermarkt von Tinys Freund zu sein schien, aber das war schwer zu sagen. Er war weiter weg und viel größer, als er gesagt hatte. Deshalb zögerte ich ein wenig, ums Haus zu gehen und an irgendwelche dunklen Fenster zu klopfen. Wenn wir den falschen Supermarkt erwischt hatten, konnte sich das als fataler Fehler erweisen. Aber wie es aussah, war es einen Versuch wert, also klopfte ich und hielt mich bereit, um die Ecke zu sprinten, sobald ich hörte, wie eine Schusswaffe entsichert wurde. Es tat sich nichts, und ich klopfte noch einmal. Ich rechnete jeden Moment damit, eine Frau kreischen zu hören: »Henry! Sie sind da! O Gott, sie kommen uns holen! Schieß, Henry!
Schieß!« Und selbst wenn mir Henry nicht den Kopf wegballern würde, würde er doch bestimmt die Polizei rufen, und dann würde man uns festnehmen, weil wir versucht hatten, mitten in der Nacht in einen Bierladen einzubrechen.
Schließlich hörte ich, dass sich drinnen etwas regte, und jemand rief: »Wer ist da?«
»Ein Freund von Tiny«, sagte ich schnell. »Wir brauchen Bier.«
Ein Licht ging an und ein freundliches Gesicht erschien. Der Mann kam im Bademantel raus und schloss den Laden auf. Er wirkte nicht im Mindesten verstimmt. »Ach ja, der gute alte Tiny«, sagte er. »Der ist echt klasse, was?« Ich stimmte zu und gab ihm die 35 Dollar, die die Angels am Lagerfeuer gesammelt hatten. Phil legte noch fünf Dollar drauf, und wir fuhren mit acht Kisten Bier davon. Der Mann schätzte Tiny so hoch, dass er nur 1,25 Dollar pro Sixpack berechnete, statt der 1,50 Dollar, die wir in dem anderen Laden bezahlt hatten. Als wir wieder zu der Straßensperre kamen, leuchtete der Captain mit seiner Taschenlampe in unseren Wagen und schien schockiert, als er das Bier sah. Wir waren keine halbe Stunde weg gewesen.
»Wo haben Sie das her?«, fragte er.
»Aus einem Laden unten an der Straße«, sagte ich.
Er schüttelte missmutig den Kopf und winkte uns durch. Da hatte offensichtlich irgendjemand Mist gebaut. Er tat mir ein wenig Leid. Hier stand er die ganze Nacht lang am Highway, hatte geschworen, die Einwohner von Bass Lake zu beschützen, und dann halfen ausgerechnet die Leute, deren Habe wahrscheinlich geplündert würde, wenn die Hell’s Angels außer Rand und Band gerieten, diesen Schlägertypen dabei, sich zu betrinken.
Wir wurden mit Beifall und Jubel im Lager empfangen. Die acht Kisten waren mehr als genug. Die Hamsterer hielten sich klugerweise an ihre Vorräte, und irgendwann so gegen vier traf ein großer Trupp aus dem Süden mit etlichen Kisten Bier ein. Der Rest der Nacht war eher eine Frage der Ausdauer als des Vergnügens. Magoo, ein 26-jähriger Trucker aus Oakland, blieb die ganze Zeit beim Feuer und legte immer noch Holz nach. Als irgendjemand ihn mahnte, er solle nicht gleich in der ersten Nacht alles verfeuern, entgegnete er: »Was soll’s? Da ist ein ganzer Wald. Wir haben Brennholz ohne Ende.« Magoo ist einer der interessantesten Angels, denn sein Verstand scheint vollkommen immun gegen die Vorstellungen und Grundsätze des Lebens im Amerika des 20. Jahrhunderts zu sein. Wie die meisten anderen auch hat er keine abgeschlossene Schulausbildung, aber seine Arbeit bei einer Spedition verhilft ihm zu einem anständigen Einkommen, und er muss sich keine großen Sorgen machen. Man ruft ihn an, und dann fährt er einen Truck – manchmal sechs Tage die Woche und manchmal auch nur einen Tag –, und er sagt, die Arbeit mache ihm Spaß, besonders nach längerer Arbeitslosigkeit. In Oakland zeigte er mir
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