Hell's Angels (German Edition)
einem tödlich endenden Kampf gemeinsam mit dem Opfer zeigt, ist er erledigt. Auch Tonbandaufnahmen können belastende Wirkung haben, zumal, wenn sich ein Outlaw mit Alk oder Pillen zugedröhnt hat und anfängt, mit dem zu prahlen, was Senator Murphy als »ihre wilden Taten und ihre Missachtung jedes Anstands« bezeichnet. So etwas ist schon vorgekommen. Einmal nahm Barger einem Reporter drei Stunden Tonmaterial ab, hörte es sich aufmerksam an und löschte alles, was ihm belastend vorkam. Seither gilt die Parole, dass niemand ein Interview gibt, ohne es vorher mit ihm abzusprechen.
Die Jokers hörten jedoch nicht auf Barger und waren damals eifrig bemüht, sich bei jedem Journalisten Gehör zu verschaffen, der zur Hebung ihres Status’ beitragen konnte. Hutch ist ein kluger Kerl, etwa 1,88 groß, hat dichtes blondes Haar und ein Gesicht, wegen dem ihn jedes Arthur-Murray-Studio vom Fleck weg engagieren würde. Er betätigt sich hin und wieder als Hilfsarbeiter, aber nur, um weiter Anspruch auf Arbeitslosengeld zu haben. Als ich ihn einige Wochen später in der Wohnung seiner Eltern in einer wohlhabenden Gegend von San Francisco besuchte, sprach er mit einer lässigen Offenheit
über Motorrad-Outlaws, die nur schwer in Einklang zu bringen war mit seinem Bemühen, mehr und bessere Resonanz in der Presse zu finden. Ich war mir dessen damals nur vage bewusst, aber nach einer Weile wurde mir klar, dass, wenn die Outlaws je gezwungen wären, sich zwischen schlechter, voreingenommener Publicity und gar keiner zu entscheiden, sie ohne zu zögern Ersteres wählen würden.
Während ich mich mit Hutch unterhielt, gesellte sich ein weiterer Joker dazu. Er stellte sich als Bruno oder Harpo oder so etwas in der Richtung vor und reichte mir seine Karte. Viele Outlaws haben immer Visitenkarten dabei, und manche davon sind kunstvoll verziert. Frenchy aus Frisco verteilt gern glänzende schwarze mit silberner Beschriftung. Die Idee mit den Karten kam auf, als die Frisco-Angels, die ihr schäbiges Image beklagten, beschlossen, die Öffentlichkeit für sich zu gewinnen, indem sie jedem liegen gebliebenen Motorradfahrer, der ihnen begegnete, halfen, und ihm dann eine Karte überreichten, auf der auf einer Seite stand: »Ihnen wurde geholfen von einem Mitglied der Hell’s Angels, Frisco«, und auf der anderen: »Wenn wir etwas Gutes tun, erinnert sich niemand daran. Wenn wir etwas Falsches tun, vergisst es niemand.« Das hatte nicht ganz so viel Stil, wie eine Silberkugel oder eine verchromte Zylinderkopfschraube zu hinterlassen, aber sie fanden, es sei besser als nichts. Jahrelang legten die Frisco-Angels großen Wert darauf, sich jedem Auto- und Motorradfahrer, der Schwierigkeiten hatte, als fähige Mechaniker anzubieten, aber das war vor der ganzen Publicity. Heutzutage wäre so etwas ausgesprochen riskant.
Man stelle sich vor, wie ein Handelsvertreter mittleren Alters darauf reagieren würde, der mit seiner Frau und
seinen beiden Kindern im Familien-Mustang auf einem abgelegenen Abschnitt des Highway 101 unterwegs ist. Im Motor fängt irgendetwas an zu scheppern, und er fährt rechts ran und steigt aus, um sich das mal anzusehen. Mit einem Mal hört er laut dröhnende Motorräder. Ein Dutzend Hell’s Angels halten am Straßenrand, steigen von ihren Maschinen und kommen auf ihn zu. Schnell reißt er den Ölmessstab aus dem Motor und schlägt damit auf die Gangster ein. Seine Frau springt angsterfüllt aus dem Wagen, läuft in ein nahe gelegenes Maisfeld und schlängelt sich wie eine Eidechse zwischen den Pflanzen hindurch. Die Kinder ducken sich, der Mann wird verprügelt, und nur wenige Augenblicke später kommt ein Wagen der Highway Patrol. Die Outlaws werden wegen schwerer Körperverletzung und versuchter Vergewaltigung ins Gefängnis gesteckt, die Kaution auf 3.000 Dollar festgesetzt. Eine Woche später, nachdem alles aufgeklärt und alle Anschuldigungen fallen gelassen wurden, entschuldigt sich der Mann – aber dann ist jeder der Angels dreihundert Dollar ärmer, und die Empfehlungskärtchen werden beim nächsten Mal zu Hause gelassen. Die Outlaws haben immer noch Karten dabei, aber nicht von dieser Art. Die meisten sind nur mit dem Clubemblem, dem Namen des Mitglieds und dem allgegenwärtigen Einprozentersymbol bedruckt. Auf keiner steht eine Adresse oder Telefonnummer. Diese werden manchmal auf der Rückseite der Karte notiert, ändern sich aber so oft, dass es unmöglich ist, da auf dem Laufenden zu bleiben. Auf den
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