Hell's Angels (German Edition)
eines Abends, dass er unter seiner Kutte ein weißes Hemd trug, und er schien sehr zufrieden mit sich: »Ich habe heute zum ersten Mal seit langer Zeit wieder rechtschaffene Arbeit geleistet«, erzählte er. »Ich habe fünfundreißigtausend Pfund Tiefkühlhähnchen ausgeladen, habe sogar eins geklaut. Es war ein schönes Gefühl, zur Abwechslung mal wieder zu arbeiten.«
Magoo ist ein Pillenfreak, und wenn er voll gedröhnt ist, redet er viel. Trotz seines Neandertaler-Aussehens hat er eine eigentümliche Würde und beharrt auf bestimmten eigenen Regeln. Er fühlt sich schnell angegriffen, aber
im Gegensatz zu einigen anderen unterscheidet er zwischen unbeabsichtigten Beleidigungen und solchen, die ganz offensichtlich Absicht sind. Statt Leute, die ihm nicht gefallen, zu verprügeln – wie Fat Freddy das macht, ein stämmiger Mexikaner und der Boxchampion des Oakland-Chapters –, kehrt Magoo ihnen einfach nur den Rücken zu. Sein Verhalten ist mit einer Moralität gewürzt, die eher instinktiv als anerzogen wirkt. Er ist sehr ernst, und obwohl vieles, was er sagt, abwegiges Gefasel ist, ist es doch mit Spuren von etwas Urchristentum und einer hohen Dosis Darwin durchsetzt. Magoo löste 1963 den Aufruhr von Porterville aus. Er war es, der den Nachrichtenmagazinen zufolge in der Gaststätte »erbarmungslos auf den alten Mann einschlug«. Magoo erzählt es folgendermaßen:
»Ich saß da am Ende von einem hufeisenförmigen Tresen, hab nur mein Bier getrunken und mich um meinen eigenen Kram gekümmert, und dann kommt da dieses alte Sackgesicht, nimmt mein Bier und kippt es mir ins Gesicht. »Was soll der Scheiß?«, hab ich geschrien und bin aufgesprungen. »Oh, sorry«, sagt der Typ, »war ein Versehen.« Da hab ich ihm eine Rechte verpasst, und da ist er ins Straucheln gekommen. Dann noch eine, und er lag am Boden, und dann hab ich ihm noch einen Schlag verpasst und hab ihn dann da liegen lassen. Das war alles. Ey, was würdest du denn tun, wenn dir irgendein Scheißkerl ein Bier ins Gesicht kippt?«
In Oakland unterhielt ich mich mit Magoo eines Abends lange über Waffen. Ich rechnete mit dem üblichen Schwachsinn über Dumdumgeschosse, Schießereien und »Typen umballern«, aber Magoo redete eher wie ein Anwärter für das Olympiateam im Pistolenschießen. Als ich beiläufig auf Ziele von Menschengröße zu sprechen
kam, schnauzte er: »Erzähl mir nichts davon, auf Menschen zu schießen. Ich rede hier von Streichhölzern.« Und dem war tatsächlich so. Er schießt mit einem Luger-Revolver Kaliber .22, einer kostspieligen, langläufigen Präzisionswaffe, deren Erwerb kein anderer Outlaw auch nur in Betracht ziehen würde. Und an seinen freien Tagen geht er zur Müllkippe und versucht, Streichholzköpfe abzuschießen. »Das ist höllisch schwierig«, sagt er. »Aber manchmal mache ich’s genau richtig und zünde auf die Art ein Streichholz an.«
Magoo ist zurückhaltender als die meisten anderen Angels. Er ist einer der wenigen, die nichts dabei finden, einem ihren wahren Namen zu verraten. Er ist mit einer stillen, reif aussehenden Frau namens Lynn verheiratet, bringt sie aber nur selten zu Angel-Partys mit, auf denen es hoch hergehen könnte. Meist kommt er allein und sagt nicht viel, bis er dann beschließt, ein paar Pillen einzuwerfen, die ihn dann losbrabbeln lassen wie Lord Buckley.
In Bass Lake kümmerte er sich um das Feuer, mit der Inbrunst eines Mannes, der Benzedrin gefuttert hat als wäre es Popcorn. Die Flammen beleuchteten seine Brille und seinen Nazihelm. Ein paar Stunden zuvor hatte er mit einem Jagdmesser die Hosenbeine seiner Jeans auf Kniehöhe abgetrennt, wodurch etwa zwanzig Zentimeter seiner dicken weißen Beine zum Vorschein kamen, ehe sie in schwarzen Motorradstiefeln verschwanden. Es sah aus wie die obszöne Imitation einer Bermudashorts.
Irgendwann kurz vor dem Morgengrauen stand ich am Feuer und hörte mit an, wie Magoo einen seiner stilvollen Anträge machte. Er sprach mit zwei anderen Angels und einem Mädel und versuchte sie zu überreden: »Gehn wir vier doch in die Büsche«, sagte er. »Wir kiffen ’ne Runde, bis wir richtig schön fett sind, und wenn sie’s
dann mit uns treiben will, warum nicht?« Er wartete einen Moment, und als keine Reaktion kam, fuhr er fort: »Du bist ein Angel, oder etwa nicht? Und ich war noch nie mies zu dir, oder? Ich bin dir noch nie auf den Sack gegangen. Was spricht also dagegen? Gehen wir in die Büsche und rauchen ’ne schöne Tüte Gras.
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