Hell's Angels (German Edition)
Ermittlungen angestellt werden über die Hell’s Angels und alle anderen dieses Schlags, die man wegen ihres fehlenden gesellschaftlichen Status’ unter »weitere zwielichtige Personen« zusammenfasste. In der Welt der schweren Motorräder, langen Runs und deftigen Schlägereien hob diese neue, staatliche Klassifizierung die Hell’s Angels auf einen hohen Sockel. Schließlich waren sie der Staatsfeind Nummer eins – wie John Dillinger.
Generalstaatsanwalt Thomas C. Lynch, damals noch neu auf dem Posten, beeilte sich, eine Art Untersuchung einzuleiten. Er verschickte Fragebögen an über hundert Sheriffs, Bezirksstaatsanwälte und Polizeichefs und bat sie um Informationen über die Hell’s Angels und »weitere zwielichtige Personen«. Außerdem bat er um Vorschläge, wie die Polizei mit ihnen verfahren sollte.
Sechs Monate gingen ins Land, bis man sämtliche Antworten in einem fünfzehnseitigen Bericht zusammengefasst hatte, der sich wie ein Handlungsabriss von Mickey Spillanes schlimmsten Albträumen las. Was Vorschläge anging, war der Bericht aber eher vage. Der Staat solle an zentraler Stelle Informationen über diese Gangster sammeln, auf eine energischere Strafverfolgung dringen, sie wann immer möglich überwachen lassen und so weiter.
Ein aufmerksamer Leser gewann den Eindruck, dass die Polizei, selbst wenn die Angels die Monster waren, die sie zu sein schienen, nicht viel gegen sie ausrichten konnte – und dass sich Mr. Lynch durchaus bewusst war, dass
man ihn hier aus politischen Motiven auf eine ziemlich dürftige Fährte angesetzt hatte.
Der Bericht war anschaulich, interessant, absolut tendenziös und durchweg alarmierend – genau das, was man für eine schöne, saftige Meldung in der überregionalen Presse braucht. Es gab darin jede Menge Wahnsinnstaten, sinnlose Zerstörungen, Orgien, Schlägereien, Perversionen und eine eigenartige Versammlung unschuldiger Opfer, deren Aussagen, selbst auf Papier und in vorsichtiger Polizeisprache wiedergegeben, das Misstrauen auch noch des dümmsten Polizeireporters hätte wecken müssen. Die Nachfrage der Zeitungs- und Zeitschriftenredaktionen war so groß, dass das Büro des Generalstaatsanwalts eine zweite Auflage drucken ließ. Sogar die Hell’s Angels bekamen ein Exemplar; einer von ihnen stibitzte meins. Kern des Berichts war ein Abschnitt mit der Überschrift »Rowdy-Aktivitäten«, ein kurz gefasster Abriss der Aktivitäten der Outlaws, der fast ein Jahrzehnt zurückreichte. Darin hieß es:
Am 2. April 1964 drang in Oakland eine Gruppe von acht Hell’s Angels in das Haus einer Frau ein, verjagte mit vorgehaltener Pistole ihren Freund und vergewaltigte sie dann im Beisein ihrer drei Kinder. Später an diesem Morgen drohten Begleiterinnen der Hell’s Angels dem Opfer, falls sie mit der Polizei kooperiere, werde man ihr mit einer Rasierklinge das Gesicht zerschneiden....
Am frühen Morgen des 2. Juni 1964 wurde berichtet, drei Hell’s Angels hätten sich in einer kleinen Kneipe im Norden Sacramentos auf eine neunzehnjährige Frau gestürzt, und während zwei von ihnen sie auf dem Kneipenfußboden festhielten,
habe der dritte sie ausgezogen. Das Opfer habe zu diesem Zeitpunkt menstruiert. Man habe ihre Damenbinde entfernt, und dann habe die dritte Person sie oral vergewaltigt. ...
Am frühen Morgen des 25. Oktober wurden neun Hell’s Angels und zwei Begleiterinnen von der Polizei und Beamten des Sheriffs von Gardena festgenommen, nachdem aus einer Kneipe in Gardena ein Notruf eingegangen war. Wie die Polizei berichtete, hatte die Gruppe »angefangen, den ganzen Laden auseinander zu nehmen«, nachdem jemand über ein Mitglied der Gruppe ein Glas Bier ausgegossen hatte. In der Kneipe sah es hinterher aus wie auf einem Schlachtfeld, und die Billardtische schwammen förmlich in Bier und Urin....
Der Lynch-Bericht schilderte achtzehn derartige Untaten und deutete hunderte weitere an. Zeitungen aus ganz Kalifornien brachten Highlights daraus sowie die Zusicherung des Generalstaatsanwalts, Druck seitens der Polizei werde diesem Problem bald ein Ende bereiten. Die meisten kalifornischen Zeitungsredakteure brachten die Geschichte einen Tag lang groß raus und ließen sie dann wieder fallen. Die Hell’s Angels hatten auch früher schon Schlagzeilen gemacht, und der Lynch-Bericht – der auf der Auswertung alter Polizeiakten beruhte – enthielt wenig Neues oder Erstaunliches.
Die Angels schienen wieder einmal in der Versenkung zu verschwinden,
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