Hell's Angels (German Edition)
Bezirksstaatsanwalt von Monterey County beim Monterey-Carmel Municipal Court die Abweisung der Klage, und diesem Antrag wurde vom Großen Geschworenengericht stattgegeben.« In dem Bericht nicht wiedergegeben waren die Bemerkungen eines stellvertretenden Bezirksstaatsanwalts des Countys: »Die Mädchen wurden von einem Arzt untersucht, der keine Indizien für eine Vergewaltigung entdecken konnte«, sagte er. »Außerdem verweigerte das eine Mädchen die Aussage, und das andere wurde einem Lügendetektortest unterzogen und erwies sich als vollkommen unglaubwürdig.« Das waren jedoch langweilige Details, für die Time keinen Platz in ihren Spalten fand. Der Artikel fuhr vielmehr in einem greinenden Tonfall mit einer Liste an den Haaren herbeigezogener Statistiken fort:
Gegründet 1950 in Fontana, einer Stahlstadt 50 Meilen östlich von Los Angeles, hat der Club in Kalifornien heute etwa 450 Mitglieder. Zur Liste ihrer bevorzugten Vergnügungen zählen sexuelle Perversionen und Drogenkonsum ebenso wie Körperverletzung und Diebstahl. Insgesamt können sie sich 874 Festnahmen wegen schwerer Verbrechen rühmen, 300 Verurteilungen wegen schwerer Verbrechen, 1.682 Festnahmen wegen minderer Delikte, 1.023 Verurteilungen wegen minderer Delikte, aber nur 85 von ihnen haben je eine Haftstrafe in einem Gefängnis oder einer Besserungsanstalt abgesessen.
Keine Tat ist zu niedrig für diese Bande. Ihr Initiationsritus sieht beispielsweise vor, dass jedes neue Mitglied eine Frau oder ein Mädchen (»Schaf« genannt) stellt, die willens ist, mit sämtlichen Clubmitgliedern Geschlechtsverkehr auszuüben. Aber ihre Lieblingsbeschäftigung scheint darin zu bestehen, ganze Städte zu terrorisieren. ...
Anschließend erzählte Time die Geschichte vom Überfall auf Porterville, die zur gleichen Zeit auch in der Newsweek erschien. Der Artikel fuhr fort:
Wenn sie nicht gerade solcher Art beschäftigt sind, mieten sich die Angels – manchmal in Begleitung von Kindern eines Mitglieds oder lediger Frauen, die sich mit dem Club herumtreiben – öfter mal ein baufälliges Haus am Stadtrand, wo sie dann mit gleicher Hingabe Mädchen, Drogen und Motorräder tauschen. Zwischen ihren Drogenräuschen ziehen die Angels umher und stehlen Motorräder,
haben sogar einen Lieferwagen mit einer speziellen Rampe für das Aufladen gestohlener Maschinen. Anschließend brausen sie dann wieder los, unterwegs zu neuerlichen, noch finstereren Tiefpunkten menschlichen Verhaltens.
Für so etwas war eindeutig kein Platz in der Great Society , und Time mahnte eindringlich, dem müsse ein Ende bereitet werden. Die wachsamen Gesetzeshüter und Verteidiger des Establishments würden diesen Rüpeln eine Lektion erteilen. Der Artikel schloss triumphierend:
... sämtliche örtlichen Polizeidienststellen haben mittlerweile Dossiers über jedes einzelne Mitglied der Hell’s Angels und ähnlicher Banden erhalten, und sie haben einen gemeinsamen Nachrichtendienst aufgebaut, mit dem Ziel, diese Gangster überall, wo sie auftauchen, zur Strecke zu bringen. »Es wird ihnen nicht mehr gestattet sein, das Leben, den Frieden und die Sicherheit der rechtschaffenen Bürger unseres Staates zu bedrohen«, sagte er [Lynch]. Dazu gaben tausende Kalifornier bebend vor Dankbarkeit ihr Amen.
Gebebt wurde in Kalifonien an diesem Wochenende durchaus, wenn auch nicht unbedingt nur vor Dankbarkeit. Die Hell’s Angels bebten vor dreckigem Gelächter angesichts des unfasslichen Schwachsinns, den man über sie geschrieben hatte. Andere Outlaws bebten vor Neid angesichts des plötzlichen Ruhms der Angels. Polizisten in ganz Kalifornien bebten vor Nervosität, wenn sie an den nächsten Zusammenstoß mit einer Gruppe von Motorradfahrern dachten, der unter großer Anteilnahme der
Presse stattfinden würde. Und einige Leute bebten angesichts der Tatsache, dass Time eine Auflage von 3.042.902 hatte. 2
Bedeutsam am Hell’s-Angels-Bild des Time Magazine war aber nicht seine selektive Herangehensweise an die Realität, sondern seine Wirkung. Anfang März 1965 gab es die Hell’s Angels im Grunde gar nicht mehr. Der Club selbst zählte über den Daumen gepeilt 85 Mitglieder, alle in Kalifornien. Routinemäßige Schikanen durch die Polizei hatten dazu geführt, dass die Outlaws ihre Colours überhaupt nur noch in Oakland tragen konnten. Die Mitgliederzahl des San-Francisco-Chapter war vom einstigen Höchststand 75 auf lediglich elf geschrumpft, und einem davon stand auch noch der Ausschluss
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