Hell's Angels (German Edition)
eine zehnminütige Fahrt eine nahe gelegene unbefestigte Straße hinauf. Ich sah zu, wie die Outlaw-Horde in diese Richtung davondröhnte, und unterhielt mich dann eine Zeit lang mit zwei Rangern, die die Straßensperre besetzt hielten. Sie wirkten ein wenig angespannt, lächelten aber, als ich sie fragte, ob sie fürchteten, dass die Hell’s Angels die Stadt erobern würden. Sie hatten Flinten in der Fahrerkabine ihres Pickups, aber während der Konfrontation waren
keine Waffen zu sehen gewesen. Beide waren sie Anfang zwanzig und wirkten ausgesprochen cool angesichts der viel beschrienen Bedrohung, der sie gerade begegnet waren und die sie umgelenkt hatten. Später führte ich das auf den Einfluss Tiny Baxters zurück, des einzigen Polizisten, den ich je gesehen hatte, der Sonny Barger in die Defensive drängte.
Gegen 15.30 Uhr brach ich auf der unbefestigten Straße zu dem für die Angels bestimmten Campingplatz auf. Eine halbe Stunde später folgte ich immer noch den Motorradspuren die frische Schneise einer Planierraupe hinauf, die wirkte, als hätte man hier mit Macheten einen Weg durch den philippinischen Dschungel gebahnt. Die Steigung verlangte die ganze Zeit über einen niedrigen Gang, der Weg verlief im Zickzack, wie eine Hirschfährte, und der Campingplatz war dann so hoch gelegen, dass es mir, als ich endlich dort eintraf, vorkam, als würde nur ein dichter Bodennebel den Blick auf die Insel Manhattan am anderen Ende des Kontinents verbergen. Nichts deutete hier auf Wasser hin, und dabei hatten die Angels mittlerweile großen Durst. Man hatte sie auf eine verdorrte Wiese dreitausend Meter über den Sierras abgeschoben, und es war offensichtlich ein mieser Trip. Die Fahrt hier herauf hatte sie nicht gestört, doch nun fühlten sie sich getäuscht und sannen auf Rache. Die vorherrschende üble Stimmung teilte auch Barger, der sich vom Sheriff übertölpelt fühlte. Dieser Campingplatz eignete sich nur für Kamele und Bergziegen. Der Ausblick war atemberaubend, aber ein Camp ohne Wasser ist an einem vierten Juli in Kalifornien so nutzlos wie eine leere Bierbüchse.
Ich hörte mir eine Zeit lang das Kriegsgerede und -geschrei an und beeilte mich dann, wieder ins Tal zu kommen,
um bei einer Washingtoner Zeitung anzurufen, für die ich damals schrieb, und Bescheid zu sagen, dass ich bereit sei, eine der größten Aufruhr-Storys des Jahrzehnts zu liefern. Auf dem Weg den Berg hinab kamen mir Outlaw-Biker entgegen, die man an der Straßensperre angehalten und auf den Campingplatz verwiesen hatte. Der Lieferwagen mit den Hakenkreuzen drauf aus Frisco kam im ersten Gang angefahren, gefolgt von zwei Motorrädern und einem dritten, das gut sieben Meter weiter am Ende eines Seils, in einer Staubwolke folgte. Der Fahrer hielt sich verbissen fest, trug eine Schutzbrille mit grünen Gläsern und hatte sich ein Halstuch vor Mund und Nase gebunden. Dem Lieferwagen folgte auch ein roter Plymouth, aus dem Rufe und Gehupe ertönten, als ich vorüberfuhr. Ich hielt, erkannte den Wagen nicht, setzte zurück. Es waren Larry, Pete und Puff, der neue Präsident des Frisco-Chapters. Ich hatte sie seit dem Treffen im DePau nicht mehr gesehen. Pete, der Dragsterfahrer, arbeitete als Kurier in der Stadt, und Larry schnitzte Totempfähle aus Baumstümpfen für die Vorgärten anderer Angels. Sie hatten auf dem Freeway, in der Nähe von Modesto, eine Panne gehabt, und waren von drei hübschen jungen Mädels, die gehalten hatten, um ihre Hilfe anzubieten, mitgenommen worden. Deshalb der Plymouth, und jetzt waren die Girls mit von der Partie. Eine saß auf der Rückbank auf Petes Schoß, halb bekleidet, und lächelte abwesend, während ich erklärte, welche Probleme es mit dem Campingplatz gab. Sie beschlossen weiterzufahren, und ich sagte, ich würde sie später in der Stadt wiedersehen – oder anderswo, und an diesem Punkt glaubte ich, dass es wahrscheinlich das Gefängnis sein würde. Da braute sich etwas ganz Übles zusammen. Bald würden die Angels in einer großen, geschlossenen Gruppe vom Berg herunterkommen,
und dann wären sie nicht in der Stimmung für vernünftige Gespräche.
In den Carolinas sagt man, »Gebirgsmenschen« seien anders als »Flachlandmenschen«, und als aus Kentucky Stammender mit mehr Gebirgs- als Flachlandblut bin ich geneigt, dem zuzustimmen. Das war eine der Theorien, über die ich seit San Francisco die ganze Zeit nachgedacht hatte. Im Gegensatz zu Porterville und Hollister war Bass Lake eine
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