Hell's Angels (German Edition)
Gummistiefel von L. L. Bean aus Maine, eine Schafhirtenjacke aus Montana und darunter ein weißes Tennishemd. Der Obermufti mit dem kastanienbraunen Haar fragte mich, wer ich sei. Ich gab ihm meine Karte und fragte ihn, warum er diese große Pistole dabei habe. »Sie wissen, warum«, sagte er. »Wenn mir irgendeiner von diesen Scheißkerlen dumm kommt, jage ich ihm eine Kugel in den Bauch. Das ist die einzige Sprache,
die die verstehen.« Er deutete mit einer Kopfbewegung auf Mohr in der Telefonzelle, und nichts an seinem Tonfall deutete darauf hin, dass ich ausgenommen war. Ich erkannte, dass es sich bei seiner Waffe um einen kurzläufigen Smith&Wesson-Revolver Kaliber .357 Magnum handelte – mit genug Durchschlagskraft um, wenn nötig, Löcher in den Zylinderkopf von Mohrs BSA zu schießen –, aber bei dieser Entfernung spielte das kaum eine Rolle. Diese Waffe war bis zu einer Distanz von hundert Metern eine tödliche Gefahr, und in den Händen eines geübten Schützen auch noch weit darüber hinaus. Er trug sie in einem polizeimäßigen Holster an dem Gürtel, der seine Khakihose hielt, hoch auf der rechten Hüfte, an einer ungünstigen Stelle, wenn er schnell ziehen wollte. Aber er war sich nur allzu bewusst, dass er bewaffnet war, und mir war klar, dass er in der Lage wäre, ein Mordstheater zu veranstalten, wenn er anfing, mit dieser Waffe herumzufuchteln.
Ich fragte ihn, ob er Hilfssheriff sei.
»Nein, ich arbeite für Mr. Williams«, sagte er, immer noch meine Visitenkarte betrachtend. Dann sah er hoch. »Was haben Sie mit diesen Motorradfahrern zu tun?«
Ich erklärte ihm, ich sei nur ein Journalist, der versuche, auf ehrliche Weise sein Geld zu verdienen. Er nickte, immer noch an meiner Karte herumfummelnd. Ich sagte, er könne sie behalten, und das schien ihn zu freuen. Er steckte sie in die Tasche seines Khakihemds, schob sich dann die Daumen hinter den Gürtel und fragte mich, was ich wissen wolle. Dem Tonfall der Frage nach blieben mir etwa sechzig Sekunden, um alles herauszubekommen.
Ich zuckte die Achseln. »Oh, keine Ahnung. Ich dachte nur, ich schaue mich mal ein wenig um und schreibe vielleicht irgendwas.«
Er lachte wissend in sich hinein. »Ja? Na, dann können Sie schreiben, dass wir auf sie vorbereitet sind. Hier kriegen sie die volle Packung.«
Es waren so viele Touristen auf der staubigen Straße unterwegs, dass ich den sonderbaren Charakter der Gruppe um uns her gar nicht bemerkt hatte. Das waren alles andere als Touristen: Ich stand inmitten einer gut hundert Mann starken Bürgerwehr. Noch fünf, sechs weitere trugen ein Khakihemd und eine Pistole. Auf den ersten Blick sahen sie aus wie ein x-beliebiger Haufen Country-Boys in einem Bauernkaff in den Sierras. Als ich mich aber umschaute, sah ich, dass viele Holzknüppel in Händen hielten und andere Jagdmesser am Gürtel trugen. Sie wirkten nicht direkt gemein, waren aber offensichtlich in Rage und bereit, ein paar Köpfe einzuschlagen.
Der Kaufmann Williams hatte ein paar Revolvermänner engagiert, die seinen Besitz am Seeufer beschützen sollten; die Übrigen waren freiwillige Schläger, die schon den ganzen Tag darauf warteten, sich mit einem Haufen langhaariger Stadtjungs zu prügeln, die statt Gürteln Ketten trugen und ranzig stanken. Ich dachte daran, was für eine Laune die Angels oben auf dem Berg gehabt hatten, und rechnete jeden Moment damit, die ersten Motorräder zu hören, die vom Berg herab in die Stadt kamen. Die Szene bot alle Voraussetzungen für eine mörderische Massenschlägerei, und wenn man die Pistolen außer Acht ließ, standen die Chancen vermutlich fifty-fifty.
Genau in diesem Moment ging hinter mir die Tür der Telefonzelle auf, und Mohr kam heraus. Er betrachtete neugierig den Mob, hob dann seine Kamera und fotografierte die Leute. Er tat das so beiläufig wie ein Pressefotograf, der über ein Picknick eines Veteranenvereins berichtet.
Dann bestieg er sein Bike, warf es an und brauste den Hügel hinauf in Richtung Straßensperre.
Der Braunhaarige schien verwirrt, und ich nutzte die Gelegenheit und schlenderte zu meinem Wagen. Niemand sagte etwas, und ich sah mich nicht um, rechnete aber jeden Moment damit, mit einem großen Stock einen Schlag in die Nierengegend zu bekommen. Trotz unserer Presseausweise hatte man Mohr und mich sofort mit den Angels in einen Topf geworfen. Wir waren Städter, Eindringlinge, und unter diesen Umständen galten einzig die Touristen als neutral, und die waren leicht zu
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