Hell's Angels (German Edition)
erkennen. Auf der Fahrt aus der Stadt heraus fragte ich mich, ob wohl irgendjemand in Bass Lake einen meiner Schecks annehmen und mir dafür einen fluoreszierenden Hawaii-Strandanzug und ein Paar schicke Sandalen verkaufen würde.
An der Straßensperre ging es erstaunlich friedlich zu. Die Motorräder waren wieder beiderseits des Highways abgestellt, und Barger sprach mit dem Sheriff. Bei ihnen war auch der oberste Ranger der Gegend, der frohgemut erklärte, man habe noch einen weiteren Campingplatz für die Angels reserviert: Willow Cove, gut zwei Meilen die Hauptstraße hinab und direkt am Seeufer gelegen. Das klang zu gut, um zu wahr zu sein, aber Barger signalisierte seinen Leuten, sie sollten dem Jeep des Rangers folgen und sich das mal ansehen. Der seltsame Zug bewegte sich langsam den Highway hinab und bog dann an einem schmalen Feldweg, der zu dem Campingplatz führte, in den Kiefernwald ab.
Diesmal gab es keine Beschwerden. In Willow Cove fehlte nur ein Freibier-Automat, dann wäre es perfekt gewesen. Ein Dutzend Angels sprang von ihren Maschinen und stürzten sich in voller Montur in den See. Ich parkte unter einem Baum, stieg aus und sah mich um. Wir waren
auf einer kleinen Halbinsel, die in den Bass Lake hinausragte, und vom Highway durch eine halbe Meile Kiefernwald getrennt. Es war eine idyllische Szenerie, die überhaupt nicht so aussah, als sollte dort eine Orgie stattfinden. Dem war aber so, und die Outlaws besetzten den Ort wie eine siegreiche Armee. Sheriff Baxter und der Ober-Ranger erklärten Barger, es gebe nur zwei Bedingungen für die Nutzung des Platzes: Erstens sollten sie ihn so sauber und müllfrei hinterlassen, wie sie ihn vorgefunden hatten, und zweitens sollten sie unter sich bleiben und die Campingplätze am anderen Seeufer, die voller Touristen waren, in Frieden lassen. Sonny willigte ein, und die erste Krise des Wochenendes war beigelegt. Der Outlaw-Clan, der nun etwa zweihundert Mann zählte, war angenehm in einem eigenen Königreich untergebracht, an dem nichts Nennenswertes auszusetzen war. Darüber hinaus hatte sich der Ober-Angel verpflichtet, seine Leute unter Kontrolle zu behalten. Es war eine für ihn ungewöhnliche Situation, in der sich Barger da wiederfand. Statt das ganze Wochenende lang mit seiner besoffenen Armee von einer ihnen unfreundlich gesinnten Ortschaft zur nächsten zu ziehen, dabei ständig bedrängt von einer unbarmherzigen Obrigkeit, die Dienstmarken und Waffen trug, fand er sich nun mit seinen Leuten in einer durchaus angenehmen Sackgasse wieder – in einem raren Zustand der Gleichheit mit dem Rest der Menschheit, den sie nur stören konnten, indem sie mutwillig gegen eine Abmachung verstießen, für die der Präsi sein Wort gegeben hatte.
Diese Abmachung war im hollywoodmäßigen Indianerstil getroffen worden. Der Dialog zwischen Barger und den Gesetzeshütern hatte etwas kindlich Schlichtes:
»Wenn Sie ein faires Spiel mit uns spielen, Sonny, spielen wir auch ein faires Spiel mit Ihnen. Wir wollen keinen Ärger, und uns ist bewusst, dass Sie das gleiche Recht haben, an diesem See zu campen, wie jedermann. Aber sobald Sie anfangen, uns oder sonst jemandem Ärger zu machen, machen wir Ihnen die Hölle heiß, und dann ist Ihre ganze Bande dran.«
Barger nickt, scheint zu verstehen. »Wir sind nicht hier, um Ärger zu machen, Sheriff. Wir haben eher gehört, Sie wollten uns Ärger machen.«
»Was haben Sie denn erwartet? Wir haben gehört, Sie würden herkommen, um eine Schlägerei anzuzetteln und alles kurz und klein zu schlagen.« Baxter lächelte gezwungen. »Aber es gibt keinen Grund, warum Sie sich hier nicht vergnügen sollten wie alle anderen auch. Sie wissen ja schließlich, was Sie tun. Sie sind in Ordnung. Das wissen wir.«
Da lächelt Barger ganz zaghaft, aber er lächelt so selten, dass bei ihm selbst die Andeutung einer leichten Grimasse bedeutet, dass er irgendetwas ausgesprochen lustig findet. »Nun machen Sie mal halblang, Sheriff. Sie wissen doch genau, dass wir alles andere als in Ordnung sind, sonst wären wir doch nicht hier.«
Der Sheriff zuckte die Achseln und ging zurück zu seinem Wagen, aber einer der Hilfssheriffs führte das Gespräch weiter und war bald dabei, fünf oder sechs grinsenden Angels zu erzählen, dass sie im Grunde doch ganz anständige Kerle seien. Barger ging los, Geld für Bier zu sammeln. Wir waren nun seit ungefähr einer halben
Stunde hier, und zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits einen fatalen Ansturm
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