Hell's Kitchen
nennen. Mich nennt man übrigens Hock.«
»Okay, Hock. So, ein Zusammenhang sagen Sie?«
Er nahm eine der Karten, warf einen Blick auf die Angabe der Textstelle, schlug seine Bibel auf und blätterte, bis er die Passage in leicht gekürzter Diktion gefunden hatte. Und er las die voraufgehenden und folgenden Verse.
Das gleiche machte er mit zwei weiteren Karten.
Und dann sagte er: »Ich verstehe das nicht. Also, ich weiß aus den Zeitungen, daß die Karten oben in dieser Harlemer Kirche in die Kollekte geworfen wurden, daß sie als... Morddrohungen gegen den Pfarrer, diesen Father Love, gemeint waren.«
»Ja.«
»Aber... nun, lassen Sie uns noch etwas versuchen. Kommen Sie bitte mit, wir müssen in die Bibliothek gehen.«
Und als wir dort waren, zog Tim ein dickes rotes Buch aus einem Regal und fragte mich: »Haben Sie schon einmal etwas von der Bibelkonkordanz gehört, Hock?«
»Nein. Sollte ich?«
Tim winkte ab und sagte: »Nein, nicht unbedingt. Es ist ein weitverbreitetes Nachschlagewerk, das von Bibelforschern und Schulkindern benutzt wird. Vielleicht haben Sie es ja sogar vor Jahren selbst einmal benutzt und können sich nur nicht mehr erinnern.«
Er ging zu einem Tisch und ließ die Bibelkonkordanz darauf fallen. Wir setzten uns. Wieder nahm Tim eine der Karten, schlug die ersten paar Worte des Verses nach und las dann den in Querverweise untergliederten Oberbegriff laut vor.
»Es funktioniert folgendermaßen, Hock. Nehmen Sie die erste Karte, der Vers beginnt mit >Da ist keiner, der gerecht sei...< Also schlagen wir das nach und finden es unter dem biblischen Thema >Unvollkommenheit<.
So, und jetzt geben Sie mir eine andere Karte.«
Ich gab ihm die, deren Vers begann: »Die Väter haben saure Trauben gegessen...« Und dies fand sich unter dem Stichwort Eltern/Kind. Genau wie der Vers, der mit »Wo bittet unter euch ein Sohn...«
»In Ordnung«, sagte ich, »und was ist mit diesem Prachtstück?« Ich gab Tim die Karte, deren Vers anfing: »Wer einen Toren zeugt...«
»Das kann ich Ihnen sogar sagen, ohne es nachzuschlagen, aber ich werde es trotzdem überprüfen«, sagte Tim. Er blätterte einige Seiten und sagte: »Richtig - das steht unter >Sünde<.«
Schließlich kam der Vers: »Da ist keiner, der gerecht sei...«
Tim fand die Antwort. »Wir sind wieder da, wo wir angefangen haben, bei der Unvollkommenheit. Das ist also -?«
Ich sagte: »Zweimal Unvollkommenheit, zweimal Eltern/Kind und einmal Sünde.«
»Und wollen Sie jetzt die Theorie eines jungen Priesters hören?«
»Sicher.«
»Ich glaube, daß derjenige, der diese Verse herausgesucht hat, in eine Bibliothek gegangen ist und sich eine Bibelkonkordanz genommen hat - sie steht in jeder Handbibliothek, gleichgültig, welche Version der Bibel Sie auch lesen. Wer auch immer Ihren Father Love bedrohen wollte, er hatte eine Botschaft. Das ist meine Theorie. Er wollte Love wissen lassen, daß jemand da draußen genau wußte, daß er ein sehr großer Sünder war. Was diese Eltern-und-Kind-Sache betrifft... nun, ich weiß nicht so recht. Sie?«
»Er hat einen Sohn«, sagte ich.
»Also bitte!«
»Also bitte was?«
»Konzentrieren Sie sich auf den Sohn!«
»Sehen Sie oft Fernsehen, Tim?«
»Ich sehe meinen Teil, denke ich...«
Ich stand auf und bedankte mich für seine Zeit. Und versicherte ihm, daß er mir eine sehr große Hilfe gewesen sei. Father Tim strahlte.
Dann verließ ich ihn und kehrte langsam zur Forty-third und Tenth zurück. Ich spielte mit dem Gedanken, auf einen Sprung ins Ebb Tide zu gehen, doch dann fiel mir das Chili wieder ein, das noch auf dem Herd stand, den ich vergessen hatte auszuschalten. Was in mir Erinnerungen an Mary Rooneys explodierenden Dinty-Moore-Stew weckte.
Also beeilte ich mich. Doch ich war auch wieder nicht so schnell, um nicht zu bemerken, daß Heidi ihr Steigrohr vor der Apotheke verlassen hatte; nicht so schnell, um nicht zu bemerken, daß sie etwas fallengelassen hatte, was sie später vielleicht vermissen könnte. Den Kopfhörer eines Walkman-Radios.
Ich hob ihn auf, steckte ihn ein und trabte nach Hause.
26
Der Geruch war vertraut und stark. Etwas rauchiger als gewöhnlich, dachte ich. Aber trotzdem, ein guter, herzhafter Duft und völlig im Einklang mit den historischen Gerüchen des Korridors vor meiner Wohnung.
Ich steckte den Schlüssel ins Schloß, drückte die Tür auf und ging ohne Zögern hinein.
Der Anblick und Geruch meines über den Rand des Kochtopfes spritzenden und
Weitere Kostenlose Bücher