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Hell's Kitchen

Hell's Kitchen

Titel: Hell's Kitchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Adcock
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Treppe, die zu den Herren- und Damentoiletten führte, sangen die Holy Stream Deliverance Temple Praise-Sayers immer und immer wieder den Refrain von »The Old Rugged Cross«, während die Menschen vorbeiströmten, die Frauen weinten und die Männer mit unbeweglichen Mienen vom Sarg forttraten, um als Zeichen des Respektes für die neue Ordnung der Kirche kurz Roy Dumaines Hände zu berühren. Und da stand Roy wie ein Mafia-Don, mit einer weißen Lilie auf seinem schwarzen Revers. Außerdem wimmelte es von gelb-weißen Beerdigungssträußen und Leibwächtern in dunklen Anzügen mit Fliegen und ernst vor der Brust verschränkten Armen.
    Oben neben den Praise-Sayers trat von Zeit zu Zeit ein Diakon vor, um zu der unten an der Bahre vorbeischlurfenden Menge zu intonieren: »In den Holy Stream Deliverance Temple, meine Freunde... kommt ihr, wie ihr seid. Ihr habt einen Hut, also tragt ihn; ihr habt keinen Hut, macht euch keine Gedanken deswegen. Ihr wollt euch gut anziehen, das ist in Ordnung; ihr wollt euch nicht fein an-ziehen, und auch das ist in Ordnung... Gott ist hier, Er steht dort direkt neben unserem Father Love, und Er ist gekommen, um ihn nach Hause in sein Himmelreich zu holen... Und Gott, nun, Er schaut nicht auf eure Kleider, Er schaut in eure Herzen. Wenn jemand sich umdreht und euch wegen eurer Kleidung komisch ansieht, nun, laßt es mich einfach wissen...«
    Und dann trat ein anderer Diakon ans Mikrophon und sagte, mit energischerer Stimme: »Wenn ihr den Herrn liebt, berührt jemanden und sagt ihm, daß ihr den Herrn liebt... Und, Herr, schicke uns Erlösung für das, was geschehen ist... Schick uns Deine Erlösung wie ein zweischneidiges Schwert!...«
    All das beobachtete ich, und auch die Fernsehteams, die das Ereignis für Zuschauer in New York und darüber hinaus filmten - obendrein für drei europäische Hauptstädte und Tokio. Und gerade in dem Augenblick, als mir in den Sinn kam, daß ich vielleicht zu Dumaine hinübergehen und ihn fragen sollte, wieso der eine Diakon unentwegt über Kleider redete, kam eine Gruppe junger und alter Ladies in Netzstrümpfen und knallgrünen und gelben und roten Abendkleidern, wie sie die Mädchen im Pigalle tragen, und mit Schlitzen an den Seiten und Perücken und hochaufgetürmten Haaren und langen, falschen Wimpern und lässig über die Schultern geworfenen Pelzen hereinmarschiert.
    Es mochten an die dreißig gewesen sein, die so gekleidet defilierten, von denen jede einzelne am Sarg verweilte und hineingriff, um Father Love noch einmal zu berühren, sein Gesicht zu streicheln - oder einen Ring. Mehrere von ihnen beugten sich ganz in den Sarg und küßten Father Loves steinerne Stirn oder eine seiner kalten, balsamierten Wangen.
    Ich arbeitete mich neben Dumaine vor, und er wollte dazu nur soviel sagen: »Gott schaut in ihre Herzen, genau wie der Diakon gesagt hat... So, und mehr habe ich dazu nicht zu sagen.«
    Nach dieser Bemerkung sah ich plötzlich hinter den Ladies eine Frau herantreten, die - mit Ausnahme des abgewetzten Pelzmantels - so gekleidet war, wie ich sie noch nie zuvor gesehen hatte.
    Heidi trug unter ihrem Mantel ein Kleid, etwas Langes und Dunkelrotes, das nach hochwertiger Wolle und warm aussah. Und sie trug einen Filzhut mit einer breiten Krempe, den sie sich schief über die vernarbte Seite ihres Gesichtes gezogen hatte. Sie trug auch gute Schuhe und kräftige Strümpfe an ihren von Geschwüren bedeckten Beinen.
    Und da war auch Rouge auf ihren golden schimmernden Wangen. Sie sah beinahe hübsch aus, und ich ging auf sie zu.
    Als sie direkt neben Father Loves Sarg stand, beugte sich Heidi vor und umarmte den Prediger ein letztes Mal, und das Schmatzen ihrer Lippen auf seiner toten Haut hallte durch die marmorne Lobby. Und die Stimmen der Praise-Sayers schwollen in der letzten Strophe von »The Old Rugged Cross« an.
    Und dann näherten sich in der Schlange andere vertraute Gesichter dem Sarg. Mona Morgan, die ihre Hände gefaltet hatte wie ein gutes katholisches Mädchen, das vor den Altar trat. Sie sah, daß ich sie anschaute, wurde blaß und senkte die Augen, erholte sich dann aber wieder.
    Sie warf einen Blick in den Sarg, löste sich dann aus der Schlange und kam zu mir. Als sie sprach, roch ich Whisky in ihrem Atem.
    »Man hat mir gesagt, daß du hier sein würdest«, sagte sie.
    »Wer?«
    »Ich habe versucht, dich im Revier zu erreichen.«
    »Ich verstehe.«
    Mona schaute sich kurz um, sah mich dann wieder an. »Das hier ist weder die

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