Hell's Kitchen
einem Mann verpflichtet bin... auch wenn ich in deinem Fall schon die Ausnahme gemacht habe, deinen Kaffee anzunehmen.«
Heidi hatte nichts davon wütend gesagt. Ihre Worte waren tonlos und ohne jede Emotion, sie stellte mir einfach nur die Fakten dar als eine Art nüchterne Skizze und Erklärung eines vielleicht schon weit zurückliegenden Traumas im Zusammenhang mit einem Mann. Und welche Frau, von welchem Rang auch immer, hatte nicht schon das gleiche erlebt? Es lag nichts Persönliches darin, bis auf die offensichtliche Tatsache, daß sie bereit war, mir mehr zu vertrauen als anderen fremden Männern.
Dann veränderte sich ihr Verhalten völlig, genau in dem Augenblick, als es leicht zu schneien begann und die Straße naß wurde. Sie lächelte mich an und sprach wieder.
»Hock, das ist sowieso alles rein akademisch. Wie’s sich ergibt... und du versprichst mir, das jetzt keinem Menschen zu erzählen?«
»Ja, ich versprech’s.«
»Ich habe schon eine Wohnung!«
»Du hast... wo?«
»Oh, das kann ich nicht sagen. Niemandem.«
»Ist es auch warm?«
»O ja, wieder warm und nett, wie ich es früher mal kannte... Sieh nur, es schneit...« Sie drehte ihr Gesicht zum Himmel und ließ Flocken auf ihre ledrige Haut fallen. »Ist das nicht nett?«
»Ja, das ist es, Heidi, das ist es wirklich.«
»Weißt du, ich wünschte, ich könnte’s dir sagen, Hock. Wirklich. Aber ich kann nicht, und ich kann dir auch nicht sagen, warum nicht. Nur soviel... Mach dir um mich keine Sorgen. Ich habe auf der Straße eine Menge gelernt, und auch unten in meinem kleinen Loch in der Wand, wo du mich neulich gesehen hast... als du dich runter in den Dschungel gewagt hast, weißt du.«
»Ja, natürlich. Ich erinnere mich.«
»Ich werd’s warm haben, es gibt sogar einen Kamin, wie man mir gesagt hat... und ich bin dir wirklich sehr dankbar dafür, daß du daran gedacht hast, mir zu helfen, mich irgendwo in deinem eigenen Haus unterzubringen, aber du mußt das verstehen, das ist nichts für mich.«
»Okay.«
»Mach dir einfach keine Sorgen. Ich werd’s warm haben.
Und... tja, ich sollte das jetzt zwar nicht sagen, aber ich denke, ich werde wahrscheinlich sogar wieder arbeiten können.«
»Ach ja?«
»O ja... vielleicht. Wir werden sehen.«
»Was für eine Art von Arbeit ist das denn?« Aber natürlich wußte ich, daß sie jetzt nichts mehr sagen würde.
»Fröhliche Weihnachten, Hock.«
»Auch dir Fröhliche Weihnachten.«
»Ich hoffe, wir sehen uns noch.«
»Also dann.«
Und ich ließ sie dort mit dem Kaffee zurück und ging um die Ecke der Forty-second zur Holy Cross.
Father Timothy Kelly war ein schlanker Mann mit blonden Haaren, buschigem blondem Schnurrbart und einem zuversichtlichen, versöhnlichen Gesicht. Frauen würden ihn gutaussehend nennen, Männer würden in ihm so etwas sehen wie den idealen, gutmütigen jüngeren Bruder, der zu Familientreffen an Thanksgiving immer eine hübsche Freundin mit nach Hause bringt, damit sie jeder kennenlernen und als potentielle Schwägerin begutachten kann. Und doch war er ein Priester.
Wir schüttelten uns die Hand und nahmen unsere jeweiligen Plätze an einem bescheidenen Schreibtisch in seinem Büro ein, dessen vier Wände bis auf ein sepiafarbenes Foto von Papst Johannes Paul kahl waren. Mit Ausnahme des Papierkorbinhaltes befand sich alles, was es in dem Büro gab, auf Father Kellys Schreibtisch. Dort lagen sämtliche Tageszeitungen, eine bemerkenswert kleine Bibel, ein paar Spiralnotizbücher, von denen eines an der Stelle aufgeschlagen war, wo er mit Bleistift gearbeitet hatte. Und ein altes Telefon, an das ich mich aus den fünfziger Jahren erinnerte. Und ein Sandwich in Wachspapier.
Weit und breit waren weder ein Aschenbecher noch eine
Karaffe oder Gläser zu sehen. Nicht mal Sherry. Die Priesterschaft hatte sich verändert.
Der Stuhl, auf dem ich saß, war ein lackierter, eichener Bibliotheksstuhl, aus dessen Sitzfläche ein Splitter ragte, der sich in meinen linken Oberschenkel grub.
Ich griff in meine Jackentasche und reichte Father Kelly die Visitenkarten mit den Morddrohungen. Ausdruckslos sah er sie sich an und sagte dann: »Ich habe natürlich davon gelesen. Was erwarten Sie von mir?«
»Nun, ich dachte, in den Versen könnte vielleicht ein Zusammenhang liegen, Father...«
»Tim genügt völlig. Genaugenommen wäre es mir sogar lieber. Es sei denn, Sie möchten mich in Erinnerung an alte Zeiten lieber Cash-Box nennen?«
»Nein, ich werde Sie Tim
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