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Hell's Kitchen

Hell's Kitchen

Titel: Hell's Kitchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Adcock
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ich wußte, ging Mary Rooney niemals irgendwohin, außer in die Kirche und ins Wettbüro oben auf der Ninth Avenue, und dann auch nur tagsüber.
    Aus irgendeinem Grund war sie völlig aus dem Häuschen. Als sie mich treppauf mit ihren Zigaretten und dem Tee und meinem Scotch erkannte, begann sie sofort, aufgeregt auf und ab zu hüpfen und zu kreischen. »Kommen Sie rein, und machen Sie bitte schnell!«
    Ich nahm zwei Stufen auf einmal. »Was ist los?« fragte ich, als ich bei ihr war. »Sind Sie verletzt?«
    »Nein, so was ist es nicht. Kommen Sie einfach mit in meine Wohnung. Schnell, dann erzähle ich Ihnen alles.«
    Ich folge ihr durch die Tür, die sie hinter uns zuknallte.
    »Haben Sie alles bekommen, worum ich Sie gebeten habe?« fragte sie. Sie legte alle vier Riegel vor und außerdem auch noch den großen Sicherheitsbügel. »Und, haben Sie?«
    Ich gab ihr die Tüte mit den L&Ms und dem Lipton’s-Tee.
    »Gut, ich brühe uns jetzt eine schöne Kanne auf. Ich bin sowieso gerade dabei, mir ein Mittagessen zu machen, also kommt mir das gerade recht.«
    Sie ging zu der kleinen Kochnische zwischen der schwer gesicherten Wohnungstür und der Tür zum Bad mit der großen alten Wanne. Die Aufteilung meiner eigenen Wohnung eine Etage höher war identisch - die gleiche Küche und das gleiche Bad, das gleiche Wohnzimmer mit dem zugemauerten offenen Kamin und zwei Fenstern, das gleiche winzige, daran anschließende Zimmer, kaum groß genug für ein Bett und eine Kommode.
    Mary riß eines ihrer Zigarettenpäckchen auf, steckte eine L&M zwischen die Lippen und gab sich Feuer, wie sich Leute Feuer geben, wenn sie schon lange allein leben, Gefälligkeiten keine Rolle spielen und nicht mehr passieren. Sie senkte ihr Gesicht zu der Gasflamme unter dem Teekessel, schob die Zigarettenspitze dann in eine der Flammenzungen.
    »Sie haben ja immer noch Ihren Hut und den Mantel an«, meinte sie. Sie selbst trug ein hellgrünes Hauskleid mit rosafarbenen Kohlköpfen. »Jetzt legen Sie erst mal ab und nehmen Platz wie ein echter Gentleman, wenn ich bitten darf.«
    Also zog ich Mütze und Jacke aus und legte beides zum Trocknen auf den Radiator.
    »Hätten Sie Lust auf eine Portion Eintopf?« fragte Mary Rooney.
    »Nein, vielen Dank. Sagen Sie mir einfach, was passiert ist, das Sie so aufgeregt hat.«
    »Also, zuerst setzen Sie sich mal und trinken eine Tasse Tee, oder nicht?« Sie sprach es »tei« aus.
    »Mrs. Rooney, bitte. Was ist los?«
    »Ach, das. Darauf komme ich gleich.«
    Sie zog die Tür des Backofens ein paar Zentimeter auf, warf einen Blick hinein, schloß sie dann wieder.
    »Na, los jetzt, machen Sie’s sich bequem. Sie müssen sich schon damit abfinden, in Ruhe auf Ihren Tee zu warten. Wie darf’s denn sein? Weiß oder schwarz?«
    »Weiß mit Zucker.«
    Und so setzte ich mich an den Spieltisch in der Mitte des Wohnzimmers, wo sie den größten Teil ihrer Zeit damit verbrachte, Briefe an längst verstorbene Verwandte in Irland zu schreiben. Es war die einzige Sitzgelegenheit. Auf der Couch vor dem Fenster schnarchten Katzen. Ich schaute zu dem
    Sims über dem nutzlosen Kamin. Dort stand ein tragbarer Fernseher. Darauf und daneben Unmengen Fotos in billigen Rahmen von Woolworth, Aufnahmen vieler Generationen der Rooneys. Blond, helle Augen, kräftige Beine, und alle mit der gleichen mürrischen Miene. Sie sahen exakt aus wie Mary selbst, jeder einzelne von ihnen.
    »Wenn Sie Lust haben, können Sie den Nachmittagsfilm im Fernseher einschalten«, sagte sie über ihre Schulter. Sie war damit beschäftigt, kochendes Wasser in eine braune Kanne voller Lipton’s -Beutel zu schütten. »Ich weiß, daß Sie die Reagan-Filme mögen. Heute nachmittag bringen sie den, wo er mit dem Schimpansen spielt.«
    »Ist schon in Ordnung, ich hab’s schon Dutzende Male als Wiederholung während der Abendnachrichten gesehen.«
    Mary lachte wie ein junges Mädchen, brachte dann die braune Kanne, die Untertassen, Löffel, Tassen,. Schale und Teller für ihren Eintopf zum Tisch. Zusammen mit einem Aschenbecher und Streichhölzern wurde dann alles auf das Chaos ihrer Korrespondenz abgestellt.
    Sie schenkte uns eine Tasse ein, ich trank geduldig und sagte dann: »Sie haben meine ungeteilte Aufmerksamkeit, Mrs. Rooney. Weswegen bin ich hier?«
    »Ach, mein Gott, das hätte ich ja jetzt fast ganz vergessen, was?«
    Sie wühlte in den Papieren auf dem Tisch, bis sie eingeklemmt unter einem Aschenbecher fand, wonach sie suchte. Sie zog einen Brief

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