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Hell's Kitchen

Hell's Kitchen

Titel: Hell's Kitchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Adcock
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bekommen würde: Woher kannte Waterman meine Wohnung so gut, daß er auf der Straße stehen und wissen konnte, hinter welchem Fenster er nach mir Ausschau halten mußte?
    An der Seventh Avenue ging ich auf einen Sprung in das Deli direkt neben Hotaling News und erledigte meine Einkäufe für Mrs. Rooney. Ich erzählte einem Verkäufer, daß ich den Holy Redeemer wegen einer Auskunft suchte und bereit wäre, dafür zu bezahlen. Falls er mir daher den Holy Redeemer innerhalb der nächsten achtundvierzig Stunden auftreiben könnte, würde ich dafür sorgen, daß dabei auch für ihn etwas heraussprang.
    Es begann zu schneien.
    Zuerst wenig und noch sehr naß, und es fühlte sich eher nach den starken Regen an, die immer auf das grau werdende Ende eines New Yorker Herbstes folgen. Doch dann gab es Schneeregen, der sich in ein dichtes, unbestreitbares Schneegestöber verwandelt hatte, als ich die Eighth Avenue erreichte. Der Winter gab sein frühes Debüt.
    Ich stellte den Kragen meiner Seemannsjacke auf, um einen trockenen Nacken zu behalten, und ich war froh, so vernünftig gewesen zu sein, eine Mütze zu tragen. Alle anderen schützten ihren Kopf mit dem, was gerade greifbar war - Zeitungen oder Reklamezettel oder von Wänden abgerissene Pappschilder oder Sandwichverpackungen, alles, was auch nur den dürftigsten Schutz gegen den Sturm bot.
    Schon seit einer ganzen Weile erkenne ich jedes Jahr den einen Augenblick, der den krassesten Wechsel der Jahreszeiten kennzeichnet; einen Augenblick am Anfang eines weiteren New Yorker Winters, an dem mich immer wieder die eine Sache tief beeindruckt, die die angenehme Seite der Stadt von ihrer gräßlichen unterscheidet. Und das ist Glück.
    Ich bin auf diese Theorie gekommen, als ich acht Jahre alt und der jüngste Chorknabe in der Holy Cross Church war. Ich hatte das Glück, mit den älteren Burschen rumziehen zu dürfen, deren Stimmen sich veränderten, wenn sie in den Umkleideraum hinter den Seitenaltären liefen, um zwischen den Sonntagsgottesdiensten zu würfeln. Bei diesem Spaß wurde ihnen gekonnt und diskret von einem betagten Gemeindegeistlichen mit einer Nase voll geplatzter roter Äderchen assistiert, der als Father Cash-Box Kelly bekannt war. Dies aus zwei Gründen: zum einen wegen Father Kellys Geschick bei jedem Glücksspiel und zum anderen wegen der Freude und Begeisterung, mit der er sich um alle außerplanmäßigen Spendenaktionen kümmerte, die ihm übertragen wurden. Keiner von uns Jungs hatte ihn je eine Messe zelebrieren, die Beichte abnehmen, Kranke besuchen oder die Letzte Ölung geben sehen. Der alte Cash-Box Kelly war kein Priester dieser Sorte. Er gehörte zu denen, die bei den Bingo-Abenden aufkreuzten, der nichts dagegen hatte, an warmen Sonntagen vor der Kirche an einem Spieltisch zu sitzen und Lose zu verscherbeln, dem es ganz besonders nichts ausmachte, an Sonntagabenden seine Runde durch die Kneipen des Viertels zu machen, wo doch allgemein bekannt war, daß das Geld eines Priesters wertlos war, und Cash-Box mit seinem Priesterkragen war bereit, jeder katholischen Einladung auf einen Drink nachzukommen. Außerdem knöpfte er seinen Gastgebern auch noch Geld für das eine oder andere löbliche Projekt ab. Und dank dieser letzten Bemühungen wurde meiner Mutter nicht selten bei ihren monatlichen Verpflichtungen ausgeholfen, wodurch Cash-Box Kelly zu einem besonders gern gesehenen Priester im Hockadayschen Haushalt wurde - und vergiß die Gerüchte über seine Angewohnheit, mit Chorknaben Wetten abzuschließen.
    »Und das, Jungs, ist eine genauso gute und wertvolle Lektion wie so viele andere, die ihr von den Ordensschwestern in der Schule hören werdet.« Er fing immer so an, während er die Würfel in seiner Hand schüttelte und dabei in seiner schwarzen Soutane auf dem Boden des Umkleideraumes kniete, den rechten Arm gebeugt für den Haken-Wurf und dazu sein »Gegrüßet seist du, Maria, voller Gnade!« rief zur Verbesserung der heiligen Chancen, die so oft zu seinen Gunsten ausfielen.
    Ein früher Schneefall über einem geplagten Teil der Stadt und eine flüchtige Erinnerung an den alten Father Kelly. Das waren die Bestandteile des Augenblickes, der den Ansturm des Winters kennzeichnete. Das und der Anblick einer mir bekannten Bag Lady, die sich Heidi nennt.
    Sie lebt von geschenktem Kaffee und einer der besten italienischen Küchen, die in Manhattan zu finden ist - dank des Mülleimers vor Giordano’s Restaurant auf der West Thirty-ninth Street.

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