Hell's Kitchen
ließ. Ich blickte auf ihre nackten Füße, die buntlackierten Zehen.
»Dann haben sie dir also gefallen?« fragte sie.
»Ja, es hat mir gefallen.«
Sie trat einen halben Schritt zurück, griff hinter sich und öffnete das blaue Kleid und ließ es in einem seidenen Rascheln um ihre Knöchel gleiten. Und da stand sie, jetzt ganz in weißer Spitze.
Ich hatte ihr auch vorher schon beim Ausziehen zugesehen. An diesem Abend, genaugenommen. Und auch an anderen Abenden. Und ich wußte, daß alles nur Illusion war. Aber in diesem Augenblick, hier in Monas Salon, da war es das Spiegelbild der Illusion - da war es Möglichkeit.
»Gefällt’s dir?« fragte sie.
Und all die anderen Dinge, über die ich nachdenken mußte - all die schrecklichen Dinge, all die Dinge, die sich noch nicht zusammenreimten -, waren Dinge, über die ich an einem anderen Tag nachzudenken beschloß.
»Ja, es gefällt mir allerdings.« Und ich kam mir vor, als säße ich wieder in diesem Repertoirekino im Village, und da War Bogart. »Du hast eine Figur wie ein Brandy an einem Winterabend.«
Sie lachte.
Ich sagte: »Sag einfach >hallo<, und ich weiß, daß ich nur eine Leuchtrakete steigen lassen und mich entspannen muß.«
»Hallo.«
Den Tee tranken wir später.
Als ich aufwachte, lagen Falten über mir - cremefarbene Seidenfalten, die die Unterseite des Baldachins des Himmelbettes waren, in das wir nach unserer Kennenlernphase im Wohnzimmer umgezogen waren. Ich erinnerte mich, daß Mona mir erzählt hatte, wie gern sie Orte aufsuchte, die Markisen hatten. Das war jetzt bei mir auch so.
Ich setzte mich auf, und meine Hüfte berührte ihre. Sie brummte leise, und ihr Körper bewegte sich leicht.
Die Kopfschmerzen, mit denen ich schon gerechnet hatte - die, bei denen ich mich immer wie ein Tourist in der Stadt fühlte -, tauchten nicht auf. Um mich dessen zu vergewissern, ließ ich mich aus der Hüfte nach vorn fallen und dann von einer Seite auf die andere. Keine Schmerzen. Ich war erstaunt über die angenehme Nebenwirkung von Sex nach einem langen Tag des Trinkens.
Durch das nach Süden liegende Schlafzimmerfenster fiel schwaches Morgenlicht. Ich sah, daß die Wände dunkelrot lackiert waren. Und ich sah mich in einem antiken, ovalen Spiegel an der Wand am Fußende des Bettes.
Ich schwang meine Beine aus dem Bett. Es stand hoch über dem Boden, wie es früher gewesen war, und meine Füße berührten den Teppich nicht. Ich fragte mich, ob das Bett wohl einmal Miss Jessie gehört hatte, ob das zusammengerollte Bärenfell am Fußende des Bettes früher mal Sam gehört hatte...
Und ich wünschte mir - wie verzweifelt ich es mir wünschte -, daß ich etwas von meinem Vater besäße, und wenn es nur eine Kleinigkeit wäre. Irgend etwas, von dem ich wußte, daß er es vielleicht einmal in der Hand gehalten oder es getragen hatte. Aber das alles war fort. Selbst die Briefe aus dem Krieg, von denen ich noch wußte, daß meine Mutter sie den Frauen der anderen Soldaten vorgelesen hatte; und ich in der Küche hörte zu, strengte mich an, mir die Worte meines Vaters einzuprägen, während sie vorgelesen wurden. Und woher hatte ich gewußt, daß dies einmal nötig sein würde? Wo waren die Briefe geblieben ?
... und ob durch den Besitz dieser Dinge, die einmal denen gehört hatten, die sie liebte, Mona das Gefühl hatte, nicht so furchtbar einsam zu sein, egal, was auch immer sonst in ihrem Leben passierte.
Ich fand den Weg zum Bad und spülte meinen Mund aus und duschte und kämmte mich. Dann sammelte ich meine Kleider vom Boden um den Diwan auf und zog mich an und hängte Monas Sachen ordentlich über einen Stuhl.
Und ich fand die Küche und die Küchenutensilien an den üblichen Stellen. Also machte ich eine Kanne Kaffee, während Mona bis zu einer menschlicheren Uhrzeit weiterschlief.
Ich ging mit einer Tasse Kaffee zu Sams secrétaire, wo ich stehenblieb und aus dem Fenster auf den trostlosen Montagmorgen unter mir hinausschaute. Arbeiter der Frühschicht waren schon auf den Beinen, vermutlich auf dem Weg zu ihren Bus- und U-Bahn-Haltestellen. Hausangestellte, Verkäufer aus Delis, Hausmeister, Mechaniker, Bedienungshilfen, Fahrer, Büroangestellte. Wagen der hiesigen Taxiunternehmen machten sich auf den Weg durch die Stadt auf die East Side, wo das Geschäft am besten war. Kartons lagen in Hauseingängen, und in ihnen schliefen die Obdachlosen, die Schutz vor dem Wind der Nacht gesucht hatten.
Ich überlegte, vielleicht etwas aus dem mit
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