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Hell's Kitchen

Hell's Kitchen

Titel: Hell's Kitchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Adcock
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mit Brokatsamt überzogen und bedeckt mit guten Büchern und Blumen, die aussahen, als wären sie gerade erst aus dem Garten hereingeholt worden. Und ein großer chinesischer Lack-Paravent hinter einem damastbezogenen Diwan. An den Seiten Kirschholztische mit Lampen und Kerzen in Messinghaltern. Die Mona jetzt anzündete.
    Dann zog sie mich ins Wohnzimmer, und wir standen auf einem rotblauen chinesischen Teppich unter einem Kronleuchter. Ich schaute zu ein paar hundert Kristallen und ungefähr einem Dutzend sanft scheinenden Glühlampen auf. Es war ein Kronleuchter für den Salon eines Herrenhauses irgendwo draußen auf dem Land, und doch hing er hier im Wohnzimmer einer Mietskaserne in Hell’s Kitchen.
    »Es ist ein Baccarat, aus meiner Heimatstadt... du weißt schon, Rhinecliff. Ein Geschenk von einer großen Dame in Rhinecliff. Von Miss Jessie. Hab ich dir schon von Miss
    Jessie und dem Haus auf dem Berg erzählt, das mein Daddy für sie gebaut hat?«
    »Nein.«
    »Die meisten meiner Sachen hier stammen von Miss Jessie.« Mona schaute sich in ihrer Wohnung um. Und ich ebenfalls, und mein Blick blieb auf einem Erker liegen, dessen Fenster auf die Straße hinausführte. Dort stand ein Schrank voller Bücher und etwas, das ich Schreibtisch genannt hätte, es aber nicht tat, da »Schreibtisch« ein zu schäbiges Wort dafür zu sein schien. Ich ging hinüber und ließ eine Hand über das glatte Holz gleiten. Mona folgte mir und sagte: »Das ist mein Lieblingsstück. Mein Papa Sam hat ihn gebaut. Habe ich dir schon von Sam erzählt?«
    Ich sagte: »Nein.«
    »Nun, er war Zimmermann und Möbelschreiner.« Sie legte ihre Hand direkt neben meine auf das Holz. »Den hier hat er nach einem Foto in einem Frauenmagazin nachgebaut, einem Foto von einem Louis XV secrétaire. Sam konnte es bauen, aber aussprechen konnte er es nicht.«
    Ich schaute aus dem Fenster über dem secrétaire, auf den Schutt unten auf der Baustelle, gebadet in trübes weißes Licht von nackten Birnen, die entlang einem Zaun mit Nato-Draht befestigt waren. Westlich dieses Zaunes befand sich eine niedrige Betonmauer, die dort, wo es keine Häuser mehr gab, ein Stück am Bürgersteig entlang verlief. Hinter diesem Abschnitt des Bürgersteiges folgte eine tiefe Schlucht - die alte Trasse der New-York-Central-Eisenbahn. Als ich ein kleiner Junge war und die Züge noch verkehrten, kampierten dort unten manchmal Hobos.
    »Da standen früher mal ein paar schöne Häuser«, sagte Mona und schaute über meine Schulter aus dem Fenster. »Es waren wunderschöne große Kästen aus Ziegel und Kalksandstein mit Terrakottasimsen und Wasserspeiern und eisernen Geländern an manchen Fenstern. Auf den oberen Etagen waren Büros und Geschäfte und im Erdgeschoß Läden. Und natürlich fuhren irgendwann früher mal auch Züge. Jetzt wird das alles abgerissen, alles von hier bis zum Fluß.«
    »Was wird statt dessen gebaut?«
    »Wer weiß?« sagte Mona. »Ich bin eines Tages rübergegangen und habe genau das gefragt. Ich habe mit dem Vorarbeiter der Abrißmannschaft gesprochen. Er hat zu mir gesagt: >Was zum Teufel interessiert's mich, Lady? Ich reiß den alten Mist nur ab.< Was er allerdings tut - Ziegel und Mörtel und Träger und Steinlöwen und Greife und Adler. Für diesen Kerl war das alles nichts als alter Mist, eins wie das andere. Solche Männer wie er besitzen kein Schamgefühl.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    Und Mona sagte: »So wie ich aufgewachsen bin, umgeben von den Menschen, die ich eben um mich herum hatte, kann ich das Leben heute nur noch als eine Art von Wahnsinn betrachten. Ich meine, ich hatte meinen Papa - meine Mama ist gestorben, als ich noch ein Baby war -, und er war ein Mann, der immer ungeheuer stolz auf seine Arbeit war. Und dann war da Miss Jessie...«
    Mona trat zurück und wandte ihren Kopf ab. Und dann fuhr sie fort. »Papa war in einer Zeit Zimmermann, als ein Mann noch ein ganzes Haus bauen konnte. Ganz allein hat er angefangen, indem er zuerst ein Loch für das Fundament ausschachtete. Und sein letztes Haus hat er gebaut, als er kurz vor dem Ruhestand war. Er hat es für die reiche Lady der Stadt gebaut, für diese wunderbare Lady, die wir Miss Jessie nannten. Sie war nie verheiratet und hatte keine Familie. Aber sie besaß eine Menge Stil und Geld und Freunde. Die ganze Stadt liebte sie und hätte sie auch ohne ihr Geld geliebt. Aber ganz besonders habe ich sie geliebt.
    Sie besaß ein großes Stück Land im Dorf, ungefähr einen halben

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