Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt
Rockmusiker Udo Lindenberg.
Es ist ein wunderbares Foto. Loki und Helmut Schmidt sitzen mit Udo Lindenberg vor einer Art Holzhütte und klönen. Nein, eigentlich redet nur Helmut Schmidt. Loki hört andächtig, Udo mit nachdenklicher Miene zu. Helmut Schmidt macht den Eindruck, als doziere er gerade. Er raucht dabei. Auch die letzte Raucherin raucht. Udo Lindenberg hält den Kopf leicht geneigt – aus Betroffenheit über das Gehörte? Oder aus Genervtheit über Helmut Schmidts Wortschwall? Vor Loki und den beiden Männern steht eine Flasche Coca-Cola, aus der sich vermutlich Helmut Schmidt einen Becher gefüllt hat, und vier „geköpfte“ Pils-Flaschen. Offensichtlich redet Helmut Schmidt schon länger.
Es handelt sich um ein Foto-Motiv aus dem Archiv der Deutschen Presseagentur. Die Bildlegende lautet: „Am 31. Mai 1980 in Bad Segeberg treffen Helmut und Loki Schmidt den Rockmusiker Udo Lindenberg zu einem Meinungsaustausch.“
Diese zwei Männer, Udo Lindenberg und Helmut Schmidt, verbindet mehr, als den Deutschen bewusst ist. Beide leben in Hamburg, Udo im Hotel „Atlantic“, Helmut am Neubergerweg, das Taxi zwischen den beiden Orten braucht höchstens eine halbe Stunde. Ein kurzer Weg angesichts der Größe des Bundesgebiets, das seit dem Jahr, als sich Helmut und Udo zu jenem Meinungsaustausch trafen, noch größer geworden ist.
Beide haben ihre beste Zeit damals in den Siebzigern. Nachdem Udo noch mäßig erfolgreich seinen „Daumen in den Wind“ gehalten hatte, macht er 1973 „alles klar auf der Andrea Doria“. Ein Jahr später tanzt er zur Freude von immer mehr Fans auf dem „Ball Pompös“ und trifft 1975 „Votan Wahnwitz“. 1976 formiert er die „Galaxo Gang“ und flirtet im selben Jahr mit „Sister King Kong“, mit der er von 1977 an „panische Nächte“ feiert.
Auf der Langspielplatte „Sister King Kong“ singt Udo Klartext wie nie zuvor. „Es war utopisch-erektiv, als ich das erste Mal mit Dir schlief “, heißt es in Udos Lied „Meine erste Liebe“, „es tat Dir zwar ein bisschen weh, und trotzdem haben wir die Sterne gesehen.“ Wegen solcher Zeilen hat der Intendant des Bayerischen Rundfunks das Abspielen der Platte in seinem Programm verboten – auf diese Weise aber wurde „Sister King Kong“ zu Udos bis dato meistverkaufter Scheibe.
1978, als Komponist der „Dröhnland Symphonie“, deren musikalische Qualität gleich nach der Vierzigsten von Wolfgang Amadeus Mozart kommt, und als Boss des gleichnamigen durch Deutschland tourenden „Panik-Orchesters“ steht Udo im Zenit seiner Schaffenskraft, was 1979 „livehaftig“ auf Vinyl dokumentiert wird. 1980 erlebt die Republik „panische Zeiten“, weil Udo nicht mehr nur singt, sondern in einem Kinofilm den Bundeskanzler mimt: Tief erschrocken über diese Vorstellung verlassen viele Kinobesucher die Säle.
Die Parallelen in Helmuts und Udos Lebenslauf sind verblüffend. 1974 macht Helmut alles klar mit der Bundesrepublik, denn er lässt sich zu ihrem Regierungschef wählen. Er hat zwar keinen Zutritt zum „Ball Pompös“, genießt aber als Kanzler die Aufmerksamkeit auf dem Bonner Presseball. Der erste „Votan Wahnwitz“,dem er begegnet, ist Helmut Kohl, der zweite Franz Josef Strauß. Helmut kann beide Herren, die wahnsinnige Absichten im Schilde führen, niederringen.
Er rockt die Bundesrepublik in einer Zeit, als sie einen neuen Sound braucht. Er ersetzt die gemächlichen, meditativen Klänge seines Vorgängers Willy Brandt, der gelegentlich eine Harfe zum Einsatz brachte, durch schneidigen Sprechgesang. Seine Rhythmen gehen den eigenen Genossen schrill und der Opposition betörend ins Ohr.
Helmut und Udo besetzen alle gesellschaftlichen Themen ihrer Zeit. Helmut redet über die Wirtschaft und die Währung, Udo singt über Rocker und Liebe. Die Arbeitsteilung funktioniert sehr gut.
1976 formt Helmut zwar keine „Galaxo Gang“, aber immerhin eine zweite Kabinetts-Gang. Schade, dass Udo Helmuts Gang nicht frisch eingekleidet hat. Genau wie Udo hat jetzt auch Helmut eine Begegnung der dritten Art – seine „Sister King Kong“ heißt Petra Kelly, Gesicht und Stimme der neuen, grünen Bewegung. 1977 erlebt auch Helmut „panische Nächte“, besonders im Herbst.
1978, als „Held von Mogadischu“, steht Helmut im Zenit seines politischen Erfolgs und seiner Popularität. Allerdings geht er erst zwei Jahre später auf Tournee, um „livehaftig“ die Hallen zu füllen. So wie bei Udo kommen die Menschen
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