Helter Skelter - Der Mordrausch des Charles Manson
ungeklärt. Während des Prozesses deutete Caballero ziemlich unverhohlen an, dass er Schiller verdächtigte, während Schiller die Schuld bei Caballero sah.
Unabhängig von der Schuldfrage war eines jedoch gewiss: Der Atkins-Artikel schuf immense Probleme, die im Lauf des Prozesses sowohl die Verteidigung als auch die Anklage betreffen sollten. Die Geschichte wurde nicht nur in Zeitungen rund um den Globus abgedruckt, sondern wurde bereits vor Prozessbeginn in einem Taschenbuch mit dem Titel Die Ermordung von Sharon Tate publiziert. 45 Einige Leute fürchteten, dass nach den Atkins-Enthüllungen kein fairer Prozess gegen die Angeklagten mehr möglich sein würde. Und auch wenn weder Aaron noch ich, noch am Ende der Richter diese Auffassung teilten, war uns nur allzu bewusst, dass es schwierig werden würde, zwölf Geschworene zu finden, die diesen Bericht noch nicht gelesen oder gehört hatten, und außerdem dafür zu sorgen, dass er im Gerichtssaal keine Erwähnung fand.
Nur wenige Bewohner von Los Angeles, die an diesem Tag Susan Atkins’ Geschichte in der Times lasen, ahnten, dass sie zur selben Zeit in einem nicht gekennzeichneten, wenn auch stark bewachten Polizeidienstfahrzeug durch die Stadt und ihre Umgebung fuhr. Wir hofften, sie würde uns die Stellen zeigen, an denen nach den Tate-Morden die Waffen und die Kleider weggeworfen worden waren.
Bei ihrer Rückkehr nach Sybil Brand am Abend schrieb Susan einen Brief an eine frühere Zellennachbarin, Kitt Fletcher, in dem sie dieser von ihrem Ausflug erzählte: »Mein Anwalt ist toll. Er hat mich schon zweimal in seine Kanzlei bringen lassen, und heute hat er mich für sieben Stunden rausgeholt. Wir sind im Wagen bis zum Tate-Wohnsitz raufgefahren und dann durch die Canyons. Die Kripo L. A. wollte, dass ich ihr zeige, wo bestimmte Dinge passiert sind. Aber es war ein so schöner Tag, dass sich meine Erinnerungen darüber verflüchtigt haben.«
Wie in den meisten Gefängnissen wurde auch in Sybil Brand die Post zensiert, das heißt, sowohl die empfangenen wie auch die zum Versand abgegebenen Briefe wurden von der Leitung gelesen. Diejenigen, die belastende Äußerungen enthielten, wurden dann fotokopiert und an unser Büro weitergeleitet. Nach geltendem Recht war das erlaubt, ohne die Grundrechte eines Insassen zu verletzen.
Susan/Sadie war in Schreiblaune. Mehrere ihrer Briefe enthielten belastende Eingeständnisse, die im Unterschied zu ihrer Aussage vor dem Großen Geschworenengericht im Prozess gegen sie verwendet werden durften, wenn wir das für richtig hielten. An Jo Stevenson, einen Freund in Michigan, hatte sie am 13. geschrieben: »Du erinnerst dich doch an den Sharon-Tate-Mord und an den La-Bianca-Mord? Na ja, weil ich die Klappe gegenüber einer Zellennachbarin nicht halten konnte, haben sie mich und fünf andere Leute angeklagt …«
Noch weitaus belastender und aussagekräftiger war ein illegal aus dem Gefängnis geschleuster Brief von Susan an Ronnie Howard. Der Brief, den Susan über geheime Wege des Sybil-Brand-Gefängnisses zu Ronnie schmuggelte, lautete wie folgt:
»Ich kann gut nachvollziehen, wie du die Sache siehst. Ich bin auch nicht sauer auf dich. Ich bin auf eine Weise verletzt, die nur ich verstehen kann. Ich mache einzig und allein mir selbst Vorwürfe, dass ich überhaupt zu irgendjemandem etwas darüber gesagt habe … Ja, ich wollte, dass die Welt von M. erfährt. Danach sieht es ja nun aus. Es gab hinter dem allen ein sogenanntes Motiv, und zwar, den Schweinen Angst einzujagen und das Jüngste Gericht zu bringen, das jetzt für alle gekommen ist.
Bei dem Wort Töten ist das Einzige, was stirbt, das Ego. Alles Ego muss vergehen, so steht es geschrieben. Ja, es hätte auch dein Haus sein können oder das meines Vaters. Wenn man jemanden physisch tötet, befreit man nur die Seele. Das Leben hat keine Grenzen, und der Tod ist eine Illusion. Wenn du an die Wiederkunft Cristi glaubst, so ist M. derjenige, der gekommen ist zu erlösen … Vielleicht hilft dir das zu verstehen … Ich habe nicht zugegeben, im zweiten Haus gewesen zu sein, weil ich nicht im zweiten Haus war.
Ich habe vor dem Großen Geschworenengericht ausgesagt, weil mein Anwalt meinte, deine Zeugenaussage reiche aus, um mich und all die anderen zu überführen. Er sagte auch, das sei meine einzige Chance, mich zu retten. Dann war ich draußen, um mich zu retten. Seitdem hab ich einige Veränderungen durchgemacht … ich weiß jetzt, dass alles perfekt gewesen
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