Helter Skelter - Der Mordrausch des Charles Manson
bombardierten Beausoleil, Atkins und Kasabian mit Briefen, Telegrammen und Besuchsanträgen, um sie dazu zu bewegen, ihren gegenwärtigen Anwälten den Laufpass zu geben, sich von früheren belastenden Aussagen zu distanzieren und sich für eine gemeinsame Verteidigung einzusetzen. Zwar glaubte auch Beausoleil: »Die ganze Sache steht und fällt damit, dass die Family im Geist zusammensteht und sich nicht auseinanderdividieren lässt oder anfängt, gegen die eigenen Leute auszusagen«, kam jedoch zu dem Schluss: »Ich werde meinen derzeitigen Anwalt behalten.«
Bobby Beausoleil hatte sich von Anfang an eine gewisse Unabhängigkeit bewahrt. Der nicht nur attraktive, sonder eher »hübsche« (die Mädchen hatten ihm den Spitznamen Cupido gegeben) als gut aussehende Mann hatte bereits vor seiner Begegnung mit Manson in mehreren kleinen Filmen Nebenrollen gespielt, hatte Musik geschrieben, eine Rockband gegründet und seinen eigenen Harem unterhalten. Leslie, Gypsy und Kitty hatten alle mit Bobby zusammengelebt, bevor sie sich Charlie anschlossen.
Beausoleil forderte, dass Squeaky und die anderen ihn weniger oft besuchen sollten. Denn sie nahmen seine gesamte Besuchszeit in Anspruch, während er mehr als jeden anderen Kitty sehen wollte, die in weniger als einem Monat ein Kind von ihm erwartete.
Beausoleil war nicht der Einzige, auf den massiver Druck ausgeübt wurde. Ohne Susan Atkins hatte die Anklage keine Beweise gegen Manson, und Manson wusste das genau. Deshalb riefen Mitglieder der Family Richard Caballero zu jeder Tages- und Nachtzeit an. Als gutes Zureden nichts half, versuchten sie es mit Drohungen. Weniger aufgrund ihres Drucks als vielmehr, um dem Wunsch seiner eigenen Mandantin zu entsprechen, gab Caballero schließlich nach und erlaubte, dass ein paar von den Mädchen – wenn auch nicht Manson selbst – Susan besuchten.
Dies war bestenfalls eine Hinhaltetaktik. Denn Susan konnte jederzeit darauf bestehen, Manson zu sehen, und dann konnte Caballero es nicht mehr verhindern. Nachdem Susans Geschichte in der Los Angeles Times erschienen war, hatte es an den Wänden von Sybil Brand hier und da kleine Zettel gegeben, auf denen stand: »Sadie Glutz ist eine Petze.« Das machte Susan schwer zu schaffen, und jedes Mal, wenn etwas Derartiges passierte, schien das Pendel mehr zu Mansons Gunsten auszuschlagen.
Manson war sich auch im Klaren darüber, dass Linda Kasabian unsere einzige Hoffnung war, falls Susan Atkins nicht beim Prozess aussagte. Nach einiger Zeit weigerte sich Lindas Anwalt Gary Fleischman, Gypsy zu empfangen, da ihre Besuche so zahlreich geworden waren. Wenn Linda nicht aussagte, erklärte ihm Gypsy zum wiederholten Male, kämen alle frei. Einmal nahm Fleischman sie zu einem Besuch bei seiner Mandantin mit. Und Gypsy forderte Linda – in Gegenwart mehrerer Personen – auf, zu lügen und zu behaupten, sie habe in der Nacht der Tate-Morde die Spahn Ranch nie verlassen, sondern sei mit ihr am Wasserfall gewesen. Gypsy versprach, eine solche Aussage zu bestätigen.
Hätte ich die Wahl zwischen Susan und Linda als Hauptzeugin der Anklage gehabt, so hätte ich Linda entschieden den Vorzug gegeben: Denn sie hatte niemanden getötet. Doch in dem hektischen Bemühen, die Anklage vor das Große Geschworenengericht zu bringen, hatten wir den Deal mit Susan geschlossen, und so mussten wir, ob es uns gefiel oder nicht, nun damit leben. Es sei denn, Susan machte einen Rückzieher.
Doch diese Möglichkeit barg auch Probleme, denn wenn Susan nicht aussagte, brauchten wir Linda, doch ohne Susans Aussage hatten wir keine Beweise gegen Linda. Was konnten wir ihr dann anbieten? Fleischman wollte für seine Mandantin Straffreiheit, doch aus Lindas Sicht wäre ein Verfahren, das mit Freispruch endete, besser als Straffreiheit im Gegenzug für ihre Aussage gegen Manson und die anderen, wodurch sie die Vergeltung der Family heraufbeschwören würde.
Das Ganze machte uns große Sorgen, wie große, belegt ein Anruf, den ich machte. Nach der Anklage gegen Manson wegen der Tate- und LaBianca-Morde hatten die Behörden im County Inyo die Brandstiftungsklage gegen ihn fallen gelassen, obwohl ihre Beweise ausgezeichnet waren. Ich rief daher Frank Fowles an und bat ihn, die Anklage zu erneuern, was er am 6. Februar auch tat. Wir wollten unbedingt verhindern, dass Manson auf freien Fuß gelangen würde.
Februar 1970
Es war eigentlich unvorstellbar, dass ein des Massenmordes angeklagter Mann zum Helden einer Gegenkultur
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