Helter Skelter - Der Mordrausch des Charles Manson
war laut Gregg ein Chamäleon. Er hatte ihm gestanden, dass »er 1000 Gesichter hatte und sie alle benutzte – er hat mir gesagt, dass er für jeden eine Maske hat«.
Ob dies auch für die Geschworenen galt, fragte ich mich und erkannte, dass Greggs Bemerkung mir dabei helfen könnte, Manson zu demaskieren.
Ich fragte Gregg, wieso Manson es wohl für nötig hielt, Masken zu tragen.
A: »So kann er jedem genau auf dessen Level begegnen – vom Ranchgehilfen der Spahn bis zu den Mädchen auf dem Sunset Strip oder mir.«
Ich hätte gern gewusst, ob Manson auch ein »echtes« Gesicht hatte. Gregg glaubte schon. Hinter all diesen Fassaden steckten feste Überzeugungen. Es gebe wenig Menschen, die an ihren Ansichten so wenig rütteln ließen wie Charlie.
Woraus speisten sich diese Glaubensvorstellungen, fragte ich.
Charlie gab selten bis nie zu, dass er für seine Philosophie Vorbilder hatte, antwortete Gregg. Dabei war nicht zu übersehen, dass er anderswo Anleihen nahm.
Ob Manson jemals Scientology oder »die Prozesskirche« erwähnt habe?
Die Prozesskirche des Jüngsten Gerichts war eine höchst eigentümliche Sekte. Die Gemeinschaft wurde von Robert DeGrimston – mit richtigem Namen Robert Moore –, einem wie Manson ehemaligen Scientology-Mitglied, geleitet. Ihre Mitglieder verehrten sowohl Satan als auch Christus. Ich war auf diese Gruppe gerade erst durch einen Zeitungsartikel aufmerksam geworden, der angedeutet hatte, dass Manson möglicherweise von ihren Lehren beeinflusst sein könnte.
Jakobson aber meinte, dass Manson weder Scientology noch die Prozesskirche jemals erwähnt habe. Von dieser Sekte hörte Gregg zu diesem Zeitpunkt selbst zum ersten Mal.
Daraufhin wollte ich wissen, ob Charlie überhaupt irgendwen zitiert habe.
Ja, antwortete er, »die Beatles und die Bibel«. Manson zitierte wortwörtlich ganze Songtexte der Beatles, in denen er unendlich viele unterschwellige Bedeutungen witterte. Aus der Bibel führte er am liebsten Offenbarung 9 an. Doch in beiden Fällen dienten ihm die Zitate zur Bestätigung seiner eigenen Glaubensüberzeugungen.
Diese eigenartige Verquickung fand ich höchst interessant, daher befragte ich Gregg später noch eingehend dazu, doch ich wollte zunächst vor allem mehr über Mansons Lebenseinstellung erfahren.
F: »Hat Manson sich je dazu geäußert, was – wenn es da überhaupt etwas gibt – für ihn Recht und Unrecht bedeutet?«
A: »Er hat geglaubt, dass man kein Unrecht, nichts Böses tun kann. Alles ist gut. Was man auch tut, ist unausweichlich festgelegt, man erfüllt nur sein persönliches Karma.«
Das philosophische Mosaik nahm langsam Gestalt an. Der Mann, um dessen Verurteilung ich mich bemühte, kannte offenbar keine moralischen Grenzen. Er verletzte nicht einfach moralische Grundsätze, sondern akzeptierte keine. Und ein solcher Mensch ist immer gefährlich.
F: »Hat er je gesagt, dass es falsch sei, einen Menschen zu töten?«
A: »Er sagte, es sei nicht falsch.«
F: »Was besagte Mansons Philosophie in Bezug auf den Tod?«
A: »In seinem Denkgebäude gab es keinen Tod, denn der Tod war nur eine Verwandlung. Die Seele oder der Geist kann nicht sterben … Darüber haben wir uns ständig auseinandergesetzt, über das Objektive und das Subjektive und die Verschmelzung von beidem. Er glaubte, das existiere alles nur im Kopf, ganz und gar subjektiv. Er sagte, der Tod sei nur eine Angst in unseren Köpfen, die man im Kopf überwinden muss, dann würde sie nicht mehr existieren … Der Tod war für Charlie«, fügte Gregg noch hinzu, »nicht wichtiger als die Tatsache, ein Eis zu essen.«
Andererseits hatte Manson Jakobson einmal ärgerlich zurechtgewiesen, als dieser in der Wüste eine Tarantel überfahren hatte. Er hatte andere durchaus dafür kritisiert, dass sie Klapperschlangen töteten, Blumen pflückten, ja sogar Grashalme niedertraten. Einen Menschen umzubringen war in Mansons Augen offenbar nicht falsch, dafür fand er es jedoch verwerflich, ein Tier oder eine Pflanze zu töten. Gleichzeitig behauptete er aber, es gebe nichts Falsches, alles, was geschehe, sei richtig.
Seine Anhänger kümmerte es anscheinend herzlich wenig, dass seine Philosophie voller solcher Widersprüche steckte. Manson sagte, jeder Mensch solle unabhängig sein, andererseits lebte die ganze Family in Abhängigkeit von ihm. Er meinte, er könne niemandem vorschreiben, was er zu tun und zu lassen habe, sie sollten einfach »tun, was ihre Liebe ihnen gebietet«,
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