Helter Skelter - Der Mordrausch des Charles Manson
Kaution freizubekommen. Immerhin war sie am Nachmittag des 8. August wegen Verwendung einer gestohlenen Kreditkarte verhaftet worden. Wieder übernahm ich die Rolle des Advocatus Diaboli. Sieben Morde – fünf in einer Nacht, zwei in der nächsten –, insgesamt 169 Stichwunden, mit dem Blut der Opfer geschriebene Worte, ein Messer im Hals und eine Gabel im Bauch des einen Opfers, das Wort »war« – Krieg –, das in seinen Bauch geschnitten worden war – und das alles nur, um 625 Dollar Kaution aufzutreiben?
Es war aber durchaus nicht so, dass es überhaupt kein Motiv gegeben hätte. Auch wenn Aaron und die Kripo L. A. meiner Einschätzung nicht folgten, war ich doch davon überzeugt, dass wir eines kannten, allerdings ein so bizarres, dass es kaum zu fassen war.
Als ich am 4. Dezember Susan Atkins vernahm, sagte sie zu mir: »Das Ganze diente dazu, beim Establishment Angst und Paranoia auszulösen. Außerdem wollten wir den Schwarzen zeigen, wie sie die Weißen bezwingen können.« Das sei, sagte sie, der Anfang von »Helter Skelter«, was sie am nächsten Tag vor den Geschworenen als »den letzten Krieg auf dem Planeten« bezeichnete. »Er wäre nur damit zu vergleichen, wenn man alle Kriege, die je auf dieser Erde ausgetragen wurden, zusammennehmen würde …«
»Es gab hinter alledem ein sogenanntes Motiv«, schrieb Susan an Ronnie Howard. »Und zwar das, den Schweinen Angst einzujagen und das Jüngste Gericht heraufzubeschwören, das jetzt für alle gekommen ist.«
Das Jüngste Gericht, Armageddon, Helter Skelter – für Manson war das alles ein und dasselbe, ein rassistischer Holocaust, aus dem die Schwarzen siegreich hervorgehen würden. »Das Blatt des Karmas wendet sich, die Schwarzen werden die Oberhand gewinnen.« Das predigte Manson laut Danny DeCarlo unablässig. Selbst ein Außenstehender wie der Biker Al Springer, der die Spahn Ranch nur ein paarmal besucht hatte, bemerkte mir gegenüber, dass »helter skelter« zu Charlies »Lieblingsbegriffen« gehören müsse, da er es so oft benutze.
Die Überzeugung, dass es zu einem Krieg zwischen Schwarzen und Weißen kommen könnte, war nicht ungewöhnlich, denn viele Leute glaubten daran, dass es irgendwann zu einem solchen Krieg kommen könnte. Aberwitzig allerdings war die Idee, dass Manson selbst der Auslöser für einen solchen Kampf sein könnte. Indem er den Anschein erweckte, dass die sieben weißen Opfer von Schwarzen ermordet worden waren, wollte er die weiße Bevölkerung gegen die schwarze aufbringen.
Wir wussten auch, dass es für die Tate-Morde mindestens ein weiteres Motiv gab. So wie Susan Atkins es auf dem Caballero-Tonband ausdrückte: »Charlie hat sich speziell dieses Haus ausgesucht, um Terry Melcher Angst zu machen, weil Terry uns zu ein paar Dingen sein Wort gegeben und es nie eingehalten hat.« Dies war jedoch sicher nicht das Hauptmotiv, da Manson laut Gregg Jakobson wusste, dass Melcher nicht mehr im Cielo Drive, Hausnummer 10050, wohnte.
Alles, was wir bislang an Beweisen gesammelt hatten, deutete meiner Meinung nach in eine einzige Richtung: Helter Skelter. Es war ein bizarres Motiv, doch ebenso bizarr waren auch die Morde selbst. Von dem Augenblick an, als mir dieser Fall übertragen worden war, hatte mir mein Instinkt gesagt, dass hinter derart ungewöhnlichen Morden nur ein ebenso seltsames Motiv stehen konnte, das sich in keinem Polizeilehrbuch finden würde.
Die Geschworenen würden uns die ganze Helter-Skelter-Geschichte sicherlich nicht abkaufen, meinte Aaron und schlug vor, ihnen etwas anzubieten, das sie verstehen könnten. Ich antwortete ihm, dass ich die ganze Helter-Skelter-Theorie in null Komma nichts über Bord werfen würde, falls er unter unseren Beweisen ein anderes Motiv entdecken könnte.
Natürlich hatte Aaron recht: Die Geschworenen würden Helter Skelter niemals einfach so akzeptieren. Uns fehlten allzu viele Puzzleteile und vor allem ein wichtiges Detail.
Angenommen, Manson glaubte tatsächlich, dass er mit diesen Taten einen Rassenkrieg heraufbeschwören konnte, was hätte er, Charlie Manson, persönlich davon?
Darauf wusste ich keine Antwort, und ohne diese Antwort ergab auch das Motiv keinen Sinn.
»Denk immer an das Jetzt … Keine Zeit zurückzublicken … Keine Zeit zu erklären.« Diese Devise zog sich als roter Faden durch jeden Brief, den Sandy, Squeaky, Gypsy oder Brenda an die Angeklagten schickten. Die Botschaft lag auf der Hand: Sagt ihnen nichts.
Die Manson-Mädchen
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