Helter Skelter - Der Mordrausch des Charles Manson
mit der Begründung, der Sheriff beraube ihn in verfassungswidriger und Gottes Gesetz widersprechender Weise seiner spirituellen, intellektuellen und physischen Freiheit. Daher beantragte er, mit sofortiger Wirkung entlassen zu werden.
Richter Dell wies den Antrag zurück.
Manson: »Euer Ehren, hinter den großen Worten und all der Verwirrung und den Roben verbergen Sie die Wahrheit.«
Das Gericht: »Nicht absichtlich.«
Manson: »Deshalb frage ich mich manchmal, ob Ihnen überhaupt klar ist, was gerade läuft.«
Das Gericht: »Manchmal frage ich mich das auch, Mr. Manson. Ich gebe zu, dass mich zuweilen Selbstzweifel beschleichen … Andererseits ziehen auch wir in den schwarzen Roben unser Ding durch.«
Manson ersuchte um eine Reihe von Dingen – ein Tonbandgerät, unbegrenztes Telefonrecht und vieles mehr, was ihm, wie er behauptete, sowohl das Büro des Sheriffs als auch die Staatsanwaltschaft verweigerten. Dell korrigierte ihn.
Das Gericht: »Tatsächlich würde der Staatsanwalt weiter gehen, als es der Sheriff bis jetzt getan hat.«
Manson: »Na ja, ich wollte ihn eigentlich fragen, ob er die ganze Sache nicht abblasen will. Das würde einer Menge von Leuten viel Ärger ersparen.«
Das Gericht: »Und all diese Leute enttäuschen? Niemals, Mr. Manson.«
Als Manson am 28. Januar erneut vor Richter Dell erschien, beklagte er sich immer noch über die Einschränkungen seiner Rechte als Verteidiger. So wollte er zum Beispiel Robert Beausoleil, Linda Kasabian und Sadie Mae Glutz befragen, doch deren Anwälte hatten ihre Zustimmung verweigert. Richter Dell klärte ihn darüber auf, dass ihnen dieses Recht zustehe.
Manson: »Ich habe eine Nachricht von Sadie erhalten, in der sie mir mitteilt, dass der Bezirksstaatsanwalt ihr die Worte in den Mund gelegt hat.«
Mansons Spielchen richtete sich an die Presse, für die der Vorwurf zweifellos ein gefundenes Fressen war. Und seine Rechnung ging auf. Das war das Beste, was er tun konnte, außer Susan anzurufen und zum Widerruf ihrer Aussage zu drängen.
Aaron konterte mit unserem Bluff, die Anklage sei bereit, mit dem Prozess zu beginnen.
Zu unserer Erleichterung wollte Manson mehr Zeit.
Richter Dell übertrug das Verfahren Richter William Keene und gewährte einen Aufschub für den Prozessbeginn bis zum 9. Februar.
Unsere Erleichterung war groß, und zwar nicht nur, weil unsere Beweisführung noch auf schwachen Füßen stand, sondern auch, weil Aaron und ich uns noch nicht einmal in Bezug auf das Motiv einig waren.
Zwar ist die Anklage rechtlich nicht zum Nachweis des Motivs verpflichtet, doch ein plausibles Motiv stellt einen zentralen Bestandteil der Beweisführung dar. Die Geschworenen wollen wissen, wieso etwas passiert ist. Wird glaubhaft, dass ein Angeklagter ein Motiv hatte, das fragliche Verbrechen zu begehen, so zählt dies als Indizienbeweis für seine Schuld, so wie umgekehrt das Fehlen eines Motivs als Indizienbeweis für seine Unschuld gewertet wird.
In unserem Fall war der Nachweis eines Motivs wichtiger als gewöhnlich, da diese Morde vollkommen sinnlos erschienen. Bei Manson war er geradezu zwingend, da er bei den Verbrechen nicht selbst anwesend gewesen war. Wenn wir die Geschworenen davon überzeugen konnten, dass Manson – und nur er – ein Motiv für die Morde gehabt hatte, dann wäre dies ein starker Indizienbeweis dafür, dass er sie auch angeordnet hatte.
Da Aaron und ich langjährige Freunde waren und wir uns gegenseitig sehr schätzten, konnten wir offen sagen, was wir dachten, was oft zu hitzigen Diskussionen führte. So auch in diesem Fall. Aaron war der Meinung, dass wir die Morde mit Raub begründen sollten. Ich hielt das dagegen für lächerlich, denn was war schon gestohlen worden? Etwas mehr als 70 Dollar von Abigail Folger, das Portemonnaie von Rosemary LaBianca – die die Mörder, ohne das Bargeld anzutasten, entsorgt hatten –, möglicherweise ein Säckchen voller Münzen und eine Tüte Schokomilch. Das war’s. Nach unserem Kenntnisstand war sonst in keinem der beiden Häuser irgendetwas gestohlen worden. Nach übereinstimmender Auskunft der Polizeiberichte hatte es in beiden Fällen keinen Diebstahl und nicht einmal ein Durchsuchen der Räume gegeben. Offen sichtbare Gegenstände im Wert von mehreren tausend Dollar hatte niemand angerührt.
Als ein denkbares anderes Motiv nannte Aaron die Möglichkeit, dass Manson vielleicht genügend Geld zusammenbekommen wollte, um Mary Brunner, die Mutter seines Kindes, durch
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